
Am 18. April 2025 wurde ein innovatives Forschungsprojekt von den Universitäten Bielefeld, Köln und Marburg ins Leben gerufen, das sich eingehend mit den gerichtlichen Praktiken in deutschen Terrorismusprozessen beschäftigt. Der Schwerpunkt liegt dabei auf vergleichenden Beobachtungen von Verhandlungen gegen Angeklagte aus extrem rechtem und dschihadistischem Umfeld. Unterstützt von der Deutschen Forschungsgemeinschaft mit 1,2 Millionen Euro über drei Jahre, beabsichtigt das Projekt, die Verknüpfung von Ideologie, Identität, Interessen und Wissen in Terrorismusverfahren zu beleuchten. Das Teilvorhaben wird von Dr. Kerstin Eppert und Viktoria Roth am Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) der Universität Bielefeld geleitet, wie aktuell.uni-bielefeld.de berichtet.
Ein zentrales Anliegen dieses Projekts ist die Analyse geschlechtlicher, religiöser und kultureller Zuschreibungen in den Gerichtsverhandlungen. Frühere Untersuchungen haben gezeigt, dass gesellschaftliche Geschlechtervorstellungen maßgeblichen Einfluss auf die Bewertung von Angeklagten haben. Dennoch steht die gerichtliche Forschung in Deutschland im internationalen Vergleich noch am Anfang. Mit der Zielsetzung, neue Erkenntnisse über die sozialen Dynamiken im Gerichtssaal zu gewinnen, wird das Projekt sowohl die direkten Interaktionen im Gerichtssaal als auch die Entstehung rechtlichen Wissens und die öffentliche Wahrnehmung in den Medien untersuchen.
Mediale Berichterstattung im Fokus
Die mediale Darstellung von Terrorismus ist ein weiterer wichtiger Aspekt des Forschungsprojekts. Wissenschaftler wie Wolfgang Frindte, Nicole Haußecker und Jens Jirschitzka haben sich bereits zuvor intensiv mit der medialen Konstruktion und individuellen Interpretation von Terrorismus auseinandergesetzt, insbesondere vor und nach den Ereignissen des 11. Septembers 2001, einem Wendepunkt in der globalen Wahrnehmung von Terrorismus. Die Berichterstattung wird als zentraler Faktor angesehen, der die Auffassung der Bevölkerung über terroristische Bedrohungen prägt, wie bundesstiftung-friedensforschung.de hervorhebt.
In den letzten Jahren wurden verschiedene quantitativen und qualitativen Analysen der Nachrichtenberichterstattung durchgeführt, um den Einfluss der Medien auf das individuelle Terrorverständnis und das Sicherheitsverhalten der Bevölkerung zu untersuchen. Eine geplante Befragung von 100 deutschen Personen wird weitere Erkenntnisse zu deren Mediennutzungsverhalten und Terrorverständnis liefern. Diese Analysen sind Teil eines breiteren Projekts, das darauf abzielt, wissenschaftliche Sensorien und Indikatoren für potenzielle Terrorbedrohungen zu entwickeln und die sozialen Umweltbedingungen von Terror zu eruieren.
Neue Erkenntnisse und internationale Kooperation
Das Projekt „Terror verhandeln: Deutsche Gerichte als gesellschaftliche Orte der Verhandlung und Wissensproduktion zu extrem rechtem und dschihadistischem Terrorismus“, mit dem Kurztitel „Judging Terror“, wird von Januar 2025 bis Dezember 2027 laufen. Geplante Ergebnisse umfassen wissenschaftliche Publikationen und Präsentationen auf Fachkonferenzen. Darüber hinaus besteht eine Kooperation mit dem internationalen IN-COURT-Netzwerk zur Förderung vergleichender Forschung auf internationaler Ebene.
Die bemerkenswerte Vielzahl an Ansätzen und Perspektiven zeigt, dass eine differenzierte Auseinandersetzung mit den Themen Terrorismus und Medienberichterstattung dringend notwendig ist. Der Ausgang dieses Projekts könnte tiefgreifende Erkenntnisse darüber liefern, wie Terrorismus in Deutschland wahrgenommen und verarbeitet wird und welche Rolle die Justiz dabei spielt.