
Ein aktueller Bericht von der Universität Münster beleuchtet die Herausforderungen der Reproduzierbarkeit in der Verhaltensbiologie von Insekten. Ein interdisziplinäres Forschungsteam aus den Universitäten Münster, Bielefeld und Jena hat dazu Verhaltensstudien mit dem Gemeinen Grashüpfer (Pseudochorthippus parallelus) durchgeführt, der als verbreiteter Modellorganismus in der Evolutionsbiologie gilt. Die Reproduzierbarkeitskrise, die in der wissenschaftlichen Gemeinschaft zunehmend thematisiert wird, betrifft auch die Ergebnisse dieser Insektenforschung.
Die Studie zeigt, dass unter kontrollierten Bedingungen bei Verhaltensversuchen mit Insekten nur bei etwa der Hälfte der Versuche konsistente Ergebnisse erzielt wurden. Abweichungen in der Reproduzierbarkeit betrugen je nach Definition zwischen 17 und 42 Prozent. Während die Reproduzierbarkeit in der biomedizinischen Forschung weitreichend untersucht ist, fehlt es derzeit an systematischen Studien, die sich auf das Verhalten von Insekten konzentrieren. Dies ist besonders auffällig, da Insektenforschungen oft große Stichprobengrößen verwenden, was robustere Ergebnisse erwarten lässt.
Details der Experimente
Unter der Leitung von Prof. Dr. Helene Richter führten die Wissenschaftler in Münster, Bielefeld und Jena drei verschiedene Verhaltensexperimente durch, die jeweils auf spezifische Insektenarten abzielten:
- Die Auswirkungen von Futtermangel auf die Abwehrreaktionen bei Larven der Rübsen-Blattwespe (Athalia rosae).
- Der Zusammenhang zwischen Körperfarbe und bevorzugter Umgebungsfarbe bei Grashüpfern.
- Die Habitatwahl bei Red Flour Beetle (Tribolium castaneum).
Die Ergebnisse der Experimente wurden systematisch miteinander verglichen und illustrieren die Schwierigkeiten bei der Reproduzierbarkeit von Verhaltensstudien in unterschiedlichen Labors.
Aufschlussreiche Zahlen
Eine weitere Untersuchung aus der Biologischen Preprint-Datenbank ergab, dass statistische Behandlungseffekte in 83 % der Replikate der Experimente erfolgreich reproduziert werden konnten. Die Reproduzierbarkeit der Effektgröße war jedoch nur in 66 % der Fälle gegeben. Diese Diskrepanz verdeutlicht die Komplexität der experimentellen Bedingungen. Außerdem wurde festgestellt, dass die Probleme der Reproduzierbarkeit, die in der Forschung an Säugetieren wie Ratten vordern, auch für Studien an Insekten relevant sind.
Die Forscher plädieren für ein Umdenken in der Wissenschaftsgemeinschaft. Sie empfehlen offene Forschungspraktiken und die Implementierung methodologischer Strategien, um Bias zu reduzieren und Probleme durch Überstandardisierung zu vermeiden. Insbesondere die Einführung systematischer Variationen könnte einen signifikanten Beitrag zur Verbesserung der Reproduzierbarkeit in Studien über lebende Organismen leisten.
Die Studie, die als erste systematische Untersuchung der Reproduzierbarkeit von Insektenverhaltensstudien gilt, wurde im Rahmen des Transregio-Sonderforschungsbereichs „Nischenwahl, Nischenkonformität, Nischenkonstruktion“ (NC3) durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) finanziell unterstützt. Die Originalveröffentlichung ist in PLOS Biology zu finden.