
Das Kultur- und Werbegeschichtliche Archiv Freiburg (KWAF) macht einen bedeutenden Schritt in der Erhaltung der Geschichte der DDR. Seit seinem Bestehen ist es die Heimat nahezu der gesamten Illustrierten-Presse der DDR und bietet damit einen tiefen Einblick in die Alltags- und Werbegeschichte dieser Zeit. Die Initiative zur Gründung des Archivs wurde Mitte der 1980er Jahre von Dirk Schindelbeck sowie den Historikern Rainer Gries und Volker Ilgen ins Leben gerufen. Zu dieser Zeit wurden Zeugnisse der materiellen Alltagskultur nicht als sammlungswürdig erachtet, was das Vorhaben umso bemerkenswerter macht. Der Bestand des Archivs wurde durch Nachlässe von Werbefachleuten und private Ankäufe erweitert, wodurch eine umfassende Sammlung entstand, die historische Werbefachzeitschriften und Frauenzeitschriften aus beiden deutschen Staaten umfasst.
Besondere Bedeutung erlangte das Archiv durch das von 1992 bis 1997 von der DFG geförderte Projekt „Propagandageschichte der beiden deutschen Staaten im Vergleich zwischen 1949 und 1971/72“. Dieses Projekt ermöglichte es, Alltagsquellen zu erwerben, die für die Geschichtswissenschaft von unschätzbarem Wert sind. Eine Vielzahl an DDR-Titeln wie „NBI“, „Freie Welt“, „Das Magazin“ und „Der Eulenspiegel“ sind nun Teil des Archivs. Diese Sammlung soll dazu beitragen, der Alltagsgeschichte sowie der historischen Werbung in der deutsch-deutschen Geschichte gerecht zu werden.
Einfluss der Geschichtswerkstätten-Bewegung
Die Entstehung des KWAF wurde von der Geschichtswerkstätten-Bewegung beeinflusst, die sich besonders den alltags- und mentalitätsgeschichtlichen Fragestellungen widmet. Schindelbeck hat sich intensiv mit der Rolle der Werbung in der west- und ostdeutschen Mentalitätsgeschichte auseinandergesetzt. Werbung wird dabei nicht nur als Instrument zur Bedürfnisbefriedigung gesehen, sondern auch als ein Erzählwerkzeug des Zeitgeists und als Propagandainstrument, das tief in die gesellschaftlichen Strukturen eingreift.
Im Jahr 2023 entschloss sich Schindelbeck, den Archivbestand an Publikums- und Fachzeitschriften der Universitätsbibliothek Freiburg zu schenken. Diese Schenkung stellt sicher, dass die Sammlung nicht verloren geht und der Allgemeinheit zur Verfügung steht. Kleinere Sammlungen, wie Werbeprospekte, bleiben im Privatarchiv von Schindelbeck. Mit dieser Übergabe wird die wissenschaftliche und kulturelle Relevanz der Sammlung weiter gestärkt.
Kulturgeschichte und ihre Bedeutung
Die Studie der Kulturgeschichte, insbesondere in Bezug auf die DDR, umfasst nicht nur die Eliten, sondern betont auch die Lebensrealitäten der breiten Bevölkerung. Wie Volker Braun in den 1980er Jahren feststellte, stand der Mensch im Mittelpunkt der SED-Politik, was in vielen kulturhistorischen Analysen von großer Bedeutung ist. Historiker analysieren unterschiedliche Sozial- und Kulturgruppen, wobei der Praxisaspekt von Kultur, wie von Karl Marx betont, hervorzuheben ist.
In der DDR war die Kulturgeschichte ein oft vernachlässigtes Forschungsfeld, da kulturelle Realitäten häufig mit dem Selbstbild der SED-Führung kollidierten. Wissenschaftler wie Joachim Streisand arbeiteten an der Kulturgeschichte der DDR, konnten jedoch Projekte oft nicht abschließen. Dies zeigt, wie wichtig es ist, eine differenzierte Kulturgeschichte der DDR zu präsentieren, die die komplexen Zusammenhänge der Gesellschaft und ihrer kulturellen Narrative erfasst.
Die Kulturpolitik in der DDR hatte hierbei einen hohen Stellenwert, da sie tief in der deutschen Kulturlandschaft verwurzelt war. Sie diente sowohl der Unterstützung von Kunst als auch der politischen Machtausübung, wobei verschiedene Narrative wie Umerziehung, Hochkulturpflege und Breitenkultur stets von Widersprüchen geprägt waren. Eine umfassende Analyse dieser Elemente ist notwendig, um die menschlichen Zusammenhänge der damaligen Gesellschaft zu verstehen und die Lücke in der deutschen Kulturgeschichte zu schließen.