
Die Bedeutung von Düften in der phönizischen Kultur steht im Zentrum einer interdisziplinären Studie, die unter der Leitung der Universität Tübingen durchgeführt wurde. Die Untersuchung, die heute veröffentlicht wurde, analysiert 51 keramische Ölgefäße aus der antiken phönizischen Siedlung Mozia auf Sizilien. Diese Gefäße, die aus dem 8. bis 6. Jahrhundert v. Chr. stammen, wurden in Gräbern, Häusern und heiligen Stätten entdeckt und sind zwischen 15,5 und 18,5 cm hoch.
Die Studie zeigt, dass Düfte eine zentrale Rolle für die Identitätsbildung, Erinnerungskultur und den interkulturellen Austausch im phönizischen Raum spielten. Organische Rückstände, die in acht der 51 Gefäße nachgewiesen wurden, umfassen pflanzliche Lipide, Kiefernharz und Mastixharz. Dies belegt, dass die Gefäße zur Aufbewahrung und zum Transport aromatischer Öle verwendet wurden, die als kulturelle Verbindungsstücke und Ausdruck der Identität phönizischer Migranten dienten. Damit wird Duft als entscheidender Faktor in den Prozessen der Migration und des kulturellen Austauschs neu bewertet. Diese Forschung regt dazu an, Handel, Migration und kulturelle Zugehörigkeit in der Antike umfassend zu überprüfen.
Historischer Kontext der phönizischen Kultur
Die phönizische Kultur hat ihre Wurzeln in den Stadtstaaten der Levante in der Bronzezeit und war bekannt für bedeutende Innovationen, wie die Entwicklung des ersten Alphabets. Bis zum 1. Jahrtausend v. Chr. hatten die phönizischen Städte ein umfangreiches maritimes Handelsnetz aufgebaut, das bis nach Iberien reichte. Karthago, eine wichtige phönizische Kolonie im heutigen Tunesien, spielte im 6. Jahrhundert v. Chr. eine dominierende Rolle in der Region und war ein Schlüsselakteur im Handel und kulturellen Austausch im Mittelmeerraum.
Eine weitere umfangreiche Studie, die im Rahmen des Max Planck-Harvard Research Centers für die Archäowissenschaften im antiken Mittelmeerraum durchgeführt wurde, bestätigt die komplexen Verbreitungsmechanismen der phönizisch-punischen Zivilisation. Diese Studie analysierte alte DNA aus menschlichen Überresten, die in der punischen Nekropole von Puig des Molins auf Ibiza sowie anderen phönizisch-punischen Ausgrabungsstätten gefunden wurden. Die Ergebnisse zeigen, dass die phönizisch-punische Kultur nicht durch massenhafte Migration, sondern durch kulturellen Transfer und Assimilation verbreitet wurde.
Genetische Erkenntnisse und ihre Implikationen
Die untersuchte punische Bevölkerung wies ein heterogenes genetisches Profil auf, mit Anteilen nordafrikanischer und sizilianisch-ägäischer Abstammung. Diese Vielfalt reflektiert die kosmopolitische Natur der antiken phönizisch-punischen Gesellschaften, die durch Handel und Migration über große Distanzen verbunden waren. Die genetischen Netzwerke deuten auf gemeinsame demografische Prozesse wie Heiratsstrategien und Vermischungen zwischen Bevölkerungsschichten hin.
Eine der spannendsten Entdeckungen war die Identifizierung von zwei nahe Verwandten, einem in Nordafrika und einem anderen auf Sizilien, was die enge Verbindung zwischen verschiedenen Gesellschaften im Mittelmeerraum unterstreicht. Diese Studien verbessern unser Verständnis der Abstammung und Mobilität historischer Bevölkerungsgruppen und bestätigen die dynamische Wechselbeziehung zwischen den verschiedenen Kulturen.
Zusammengefasst zeigt die interdisziplinäre Forschung eine vielschichtige Perspektive auf die phönizische Kultur, die durch kulturellen Austausch, Handel und genetische Verbindungen die Geschichte des Mittelmeerraums entscheidend prägte. Die Studien wurden von der Gerda Henkel Stiftung finanziert und unterstützen die Soprintendenza per i Beni Culturali e Ambientali di Trapani sowie die G. Whitaker Stiftung in Palermo. Die Ergebnisse sind in der Publikation „Scents of Home: Phoenician Oil Bottles from Motya“ im Journal of Archaeological Method and Theory veröffentlicht worden.
uni-tuebingen.de berichtet, dass die Studie einen neuen Blick auf die Rolle von Düften in der phönizischen Kultur ermöglicht und damit einen wertvollen Beitrag zur Archäologie und Geschichte des Mittelmeerraums leistet. Die Forschung unterstreicht den Einfluss kultureller Interaktionen und der Mobilität alter Gesellschaften, die bis in die Gegenwart nachwirken.
mpg.de hebt hervor, dass die genetische Analyse der punischen Bevölkerung ein besseres Verständnis für deren Herkunft und Verbindung zu den levantinischen Phöniziern bietet.
Detaillierte genetische Ergebnisse sind wichtig für das Verständnis der Mobilität im antiken Mittelmeerraum.
archaeologie-online.de ergänzt die Erkenntnisse, indem sie auf die Kulturverbreitung der phönizisch-punischen Zivilisation durch kulturellen Transfer hinweist.