
Das Deutsche Archiv der Kulinarik in Dresden hat eine bedeutende Schenkung erhalten: Die umfangreiche Kochbuchsammlung von Christoph Wagner, einem der einflussreichsten Gastrosophen Österreichs. Die Übergabe der Sammlung erfolgte durch dessen Familie und stellt einen bedeutenden Neuzugang für das Archiv dar, das von der Sächsischen Landesbibliothek (SLUB) und der Technischen Universität Dresden (TUD) gegründet wurde. Die Sammlung umfasst rund 3.000 Werke, darunter Kochbücher, Menü- und Speisekarten aus aller Welt sowie handschriftliche Notizen und Protokolle von Testessen, die die Recherchen und Reisen Wagners dokumentieren.
Christoph Wagner, der von 1984 bis 1998 Chefredakteur des „Gault Millau Österreich“ war, hat die kulinarische Debatte im deutschsprachigen Raum entscheidend geprägt. Er verstand die Kulinarik als kulturelles Phänomen und hinterfragte die Geschichten, die Rezepte erzählen. Zu seinen bekanntesten Werken zählen „Die gute Küche“ und der „Wirtshausführer“. Wagner wurde am 23. Mai 1954 in Linz geboren und verstarb am 17. Juni 2010 in Wien. Seine Witwe, Renate Wagner-Wittula, betonte bei der Übergabe, dass die Sammlung geschlossen weitergegeben werden sollte, um Wagners Wunsch zu erfüllen, dass die Bücher von vielen Interessierten genutzt werden können.
Wertvoller Neuzugang für die Forschung
Die Generaldirektorin der SLUB, Katrin Stump, hebt die Strahlkraft dieser Sammlung für die Wissenschaft hervor. Die Bestände des Archivs, das am 10. Oktober 2022 gegründet wurde, sollen künftig digital erschlossen und über ein Online-Portal kostenfrei zur Verfügung gestellt werden. Damit wird der Zugang zu einer der größten öffentlich zugänglichen Sammlungen von Kochbüchern und Menü- und Speisekarten im deutschsprachigen Raum eröffnet.
Die TU Dresden, in Kooperation mit der SLUB, sieht in der Sammlung eine wertvolle Grundlage für Forschungen zur Esskultur und zur kulinarischen Ästhetik. Prof. Josef Matzerath und Andreas Rutz von der TUD betonen die Bedeutung dieser Sammlung, die erstmals einen umfassenden Bestand aus Österreich ins Archiv bringt.
Die kulinarische Tradition Dresdens
Dresden und Sachsen können auf eine lange Tradition in der Kochkunst und Esskultur zurückblicken. Diese Kultur spiegelt sich unter anderem in der Tafelkultur des Dresdner Hofes wider. Schon vor über 400 Jahren wurde eines der ersten deutschen Profi-Kochbücher in Dresden verfasst: Johann Deckhardts „New Kunstreich und Nützliches Kochbuch“ erschien im Jahr 1611 und gilt als erstes sächsisches Kochbuch.
Im Jahr 1819 veröffentlichte der Dresdner Franz Walcha eines der ersten Kochbücher für die moderne gehobene Küche Europas. Das Werk stellte einen Meilenstein in der Entwicklung der kulinarischen Literatur dar. Diese historischen Wurzeln zeugen von dem bedeutenden Einfluss, den die Stadt auf die Entwicklung der Kochkunst in Deutschland hatte, und machen die Übernahme von Wagners Sammlung zu einem wichtigen kulturellen Ereignis.