
Die Physiker*innen der Universität Greifswald entwickeln einen vielversprechenden Ansatz für energieeffiziente Computer, der vom menschlichen Gehirn inspiriert ist. In Anbetracht der Herausforderungen, mit denen die heutige Computertechnik konfrontiert ist – insbesondere dem hohen Energieverbrauch, der Trennung von Speicher- und Verarbeitungseinheiten sowie langsamen Datenübertragungen – ist ein Umdenken in der Rechenarchitektur notwendig. Wachsende Anforderungen durch umfangreiche KI-Modelle und immense Datenmengen treiben die Forschung in neuromorphen Konzepten voran, die sich an der Funktion des menschlichen Gehirns orientieren. Diese Ansätze gewinnen zunehmend an Relevanz, um eine nachhaltige Entwicklung in der Informatik zu erzielen, wie uni-greifswald.de berichtet.
Das Forschungsteam unter der Leitung von Dr. Tahereh Sadat Parvini und Prof. Dr. Markus Münzenberg arbeitet an magnetischen Tunnelkontakten (MTJs), die sowohl Informationen speichern als auch verarbeiten können. Dabei entwickelt das Team ein hybrides optoelektrisches Anregungsschema, das elektrische Ströme mit kurzen Laserpulsen kombiniert. Diese Methodik ermöglicht die Erzeugung großer thermoelektrischer Spannungen in MTJs, die ein synapsenähnliches Verhalten begünstigen.
Eigenschaften und Anwendungen der neuen Technologie
Die magneetischen Tunnelkontakte zeichnen sich durch drei bemerkenswerte Eigenschaften aus: Erstens kann die Spannung flexibel angepasst werden, was einem synaptischen Gewicht entspricht. Zweitens treten spontane „Spike“-Signale auf, ähnlich dem Informationsaustausch zwischen Nervenzellen. Drittens erreichte ein entwickeltes neuromorphes Netzwerk in Simulationen eine Erkennungsgenauigkeit von 93,7 % bei handgeschriebenen Ziffern. Prof. Dr. Markus Münzenberg hebt die kompakte und energiesparende Plattform hervor, die diese Technologie für zukünftige Rechenanwendungen prädestiniert macht. Darüber hinaus ist die Technologie kompatibel mit bestehender Halbleitertechnik, was ihre Nutzung in Alltagsgeräten und Hochleistungsrechnern möglich macht.
Die Herausforderungen im aktuellen Computing-Bereich, wie die steigenden Kosten für Chipentwicklung und -fertigung und der notwendige Fokus auf ressourcenschonende Technologien wird ebenfalls von iis.fraunhofer.de thematisiert. Neuromorphes Computing wird als eine Lösung angesehen, da es die Funktionsweise des biologischen Gehirns imitiert. Diese Ansätze verbessern nicht nur die Energieeffizienz, sondern ermöglichen auch ressourcenintensive KI-Anwendungen auf batteriebetriebenen Endgeräten.
Zukunftsperspektiven im neuromorphen Computing
Ein zentraler Aspekt des neuromorphen Computings ist die Kombination aus geringer Latenz und hoher Energieeffizienz, die unterstützen soll, Echtzeit-Edge-AI-Anwendungen zu optimieren. Diese Technologie könnte insbesondere im Bereich von Datenschutzlösungen, die keinen Zugriff auf Cloud-Systeme erfordern, eine Schlüsselrolle spielen. Das Fraunhofer IIS hat daher das Projekt „Neuromorphes Computing“ initiiert, das Algorithmen und Hardware für neuromorphe Prozessoren in CMOS-Technologie zur Integration in Endgeräte entwickelt.
Zusätzlich befasst sich die Branche mit der Entwicklung innovativer Anwendungen in der Edge-AI, die eine hohe Parallelverarbeitung und geringe Latenzzeiten ermöglichen sollen. Bedeutende Unternehmen wie Intel, IBM und andere Forschungseinrichtungen investieren stark in diese Technologie, die mittelfristig in Bereichen wie Robotik, Medizintechnik und autonomen Systemen zum Einsatz kommen könnte, wie techzeitgeist.de prognostiziert.
Obwohl es Entwicklungen wie die von Intel und dessen Loihi-Chip gibt, der speziell für Edge-Computing-Anwendungen optimiert ist, stehen der Verbreitung neuromorpher Systeme Herausforderungen wie hohe Produktionskosten und die Notwendigkeit, geeignete Software zu entwickeln, im Wege. Prognosen zeigen, dass bis 2025 erste neuromorphe Chips verfügbar sein könnten, die jedoch aufgrund bestehender Hürden nicht ohne Weiteres in den Massenmarkt integriert werden können.
Die Entwicklungen in der neuromorphen Computertechnologie vorangetrieben von der Universität Greifswald und unterstützt durch Kooperationen mit Instituten wie dem Max-Planck-Institut für die Wissenschaft des Lichts und dem International Iberian Nanotechnology Laboratory, stellen einen bedeutenden Fortschritt dar, der nicht nur die Informatik revolutionieren könnte, sondern auch Auswirkungen auf viele andere Industrien haben wird.