
Forschende der Technischen Universität München (TUM) haben in einer bahnbrechenden Studie einen Zell-Mechanismus entdeckt, der ein tumorförderliches Mikrobiom begünstigt. Diese Erkenntnisse könnten weitreichende Auswirkungen auf das Verständnis und die Behandlung von Krebserkrankungen haben. Die Studie, die kürzlich in der Fachzeitschrift Nature Metabolism veröffentlicht wurde, zeigt, dass die Zusammensetzung des Darm-Mikrobioms eine entscheidende Rolle für die Gesundheit spielt.
Im Mittelpunkt der Forschung steht das Protein ATF6 (Activating Transcription Factor 6). Solange die Zellen normal funktionieren, bleibt ATF6 inaktiv. Bei der Ansammlung von fehlerhaften Eiweißen wird dieses Protein jedoch aktiviert. Dies führt zu einem kurzfristigen Zellstress, doch die Zelle kehrt in den Normalzustand zurück. Bei bestimmten Erkrankungen bleibt ATF6 jedoch dauerhaft aktiv, was zu anhaltenden Veränderungen im Mikrobiom des Darms führt – Veränderungen, die potenziell Krebs auslösen können.
Folgen der ATF6-Aktivierung
Die resultierenden mikrobiellen Veränderungen sind besonders besorgniserregend. Eine der Entdeckungen der TUM-Forschenden ist, dass langkettige Fettsäuren durch die chronische Aktivierung von ATF6 entstehen. Diese Fettsäuren dienen bestimmten Bakterien, insbesondere Desulfovibrio fairfieldensis, als Nahrung. Eine übermäßige Ansiedlung dieser Bakterien kann andere Mikroben verdrängen und zur Produktion von schädlichem Schwefelwasserstoffgas führen, das nachweislich Darmzellen schädigt.
In tierexperimentellen Studien mit Mäusen konnten die Forscher zeigen, dass Mäuse ohne Mikrobiom keine Krebserkrankungen entwickelten, während Mäuse mit Mikrobiom dies taten, sobald ATF6 aktiv war. Eine medikamentöse Blockade des Fettstoffwechsels konnte zudem die Krebsentwicklung in diesen Mäusen verhindern. Dies legt nahe, dass die Manipulation des Mikrobioms potenziell therapeutische Ansätze bieten könnte.
Einblicke aus Patientenanalysen
Zusätzlich zu den experimentellen Befunden haben die Forschenden Daten von über 1.000 Krebspatienten analysiert. Dabei zeigte sich, dass bis zu 38 Prozent der über 50-Jährigen eine chronische Aktivierung von ATF6 aufwiesen. Langkettige Fettsäuren wurden auch bei diesen Patienten nachgewiesen. Dirk Haller, einer der leitenden Wissenschaftler, betont jedoch, dass auf Basis dieser Ergebnisse noch keine spezifischen Therapien empfohlen werden können.
Die Studie eröffnet neue Perspektiven im Kampf gegen Krebs. Weitere Forschungen sind erforderlich, um den Einfluss von Ernährung und den genauen Rollen von ATF6 bei anderen Krebsarten besser zu verstehen. Die Entdeckung verdeutlicht, wie wichtig ein ausgewogenes Mikrobiom für die Gesundheit ist und welche Risiken durch chronische Zellstressreaktionen entstehen können. IDW hebt hervor, dass die Veränderungen im Mikrobiom auch beim Menschen nachgewiesen wurden, was die Relevanz der Studienergebnisse unterstreicht. Das Verständnis dieser Mechanismen könnte möglicherweise in naher Zukunft neue Ansätze zur Krebsprävention und -behandlung ermöglichen.