
Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung von Dr. Dries Lyna von der Radboud-Universität Nijmegen, Dr. Eva Marie Lehner von der Universität Bonn und Dr. Wouter Ryckbosch von der Universität Ghent untersucht die sozialen Zugehörigkeiten sowie das Vertrauen in Kapstadt während des 17. und 18. Jahrhunderts. Diese zeitlich eingegrenzte Untersuchung zielt darauf ab, die Lebensrealitäten der städtischen Unterschicht zu beleuchten und deren strategische Positionierungen in informellen Netzwerken sowie formellen Institutionen zu analysieren. Laut uni-bonn.de hat Kapstadt eine besondere historische Bedeutung als Hafenstadt im Indischen Ozean, die eine vielfältige Bevölkerung mit Angehörigen verschiedener Gruppen, einschließlich Soldaten, Matrosen und versklavten Menschen, beherbergte.
Ein zentrales Element der Forschungsarbeit ist die Digitalisierung historischer Quellen, um unter anderem Kredite, Zeugenaussagen und Taufpaten zu analysieren. Ein Teilprojekt mit dem Titel „In God We Trust?“ konzentriert sich speziell auf die Unterstützungsnetzwerke lediger Frauen, die in einer besonderen rechtlichen und sozialen Lage lebten. In diesem Kontext ist zu beachten, dass versklavte Frauen im kolonialen Kapstadt nicht die Möglichkeit hatten, offiziell zu heiraten, was ihre Lebensrealität besonders kompliziert gestaltete. Das Projekt hat das Ziel, die sozialen Netzwerke dieser Frauen sichtbar zu machen und ihre Positionierung innerhalb verschiedener Gemeinschaften sowie ihre Strategien gegenüber sozialen Dynamiken und Machstrukturen zu untersuchen.
Erweiterung des Diskurses in der Sozialen Arbeit
Aktuelle Debatten zur deutschen Kolonialgeschichte und deren Auswirkungen auf die Gegenwart werden auch durch die Wanderausstellung „De-Colonize it!“ beleuchtet, die von einem studentischen Team der Hochschule RheinMain konzipiert wurde. Diese Ausstellung setzt sich kritisch mit Themen wie „White Saviourism“ und „Voluntourismus“ auseinander. Das Ziel ist es, aufzuzeigen, wie koloniale Machtverhältnisse weiterhin in der heutigen Gesellschaft reproduziert werden. Laut hs-rm.de wird die Ausstellung hauptsächlich für Schulen, Hochschulen, Lehrkräfte und Fachkräfte der Sozialen Arbeit sowie andere Interessierte zugänglich gemacht.
Das studentische Projekt, das im Rahmen des Lehrforschungsprojekts „Soziale Arbeit als Koloniales Wissensarchiv“ entsteht, wird von Prof. Dr. Wiebke Dierkes geleitet und zielt darauf ab, reflexive und rassismuskritische Zugänge zu gesellschaftspolitischen Themen zu fördern. Unterstützt wird es von einer Gruppe engagierter Studierender, die die Ausstellung planen und umsetzen. Ein Bericht über das Projekt wurde im Wiesbadener Kurier veröffentlicht.
Kontextualisierung postkolonialer Forschung
Zusätzlich zur Forschung zur kolonialen Vergangenheit wird auch postkolonialen Praktiken jenseits klassischer anglophoner Medien besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Projekte wie „Minor Cosmopolitanisms“ befassen sich mit der Untersuchung von Literatur, Medien und Alltagspraktiken in Zusammenarbeit mit mehreren internationalen Partner Institutions. Diese Themen werden von der Humboldt-Universität in Berlin behandelt, wie auf hu-berlin.de berichtet.
Projekte, die sich mit Themen der Diversität, Macht und Gerechtigkeit befassen, erweitern die Gerechtigkeitsdebatte um alternative Traditionen aus dem globalen Süden und beschäftigen sich mit dem Diskurs über Ubuntu in Südafrika. Solche Forschungen erweitern den Blick auf die postkoloniale Diskussion und bieten wertvolle Einsichten in die Auswirkungen von Kolonialismus und dessen Erbe auf heutige soziale Praktiken und Theorien.