
Forschende der Universitäten Tübingen und Arizona haben die gängige Annahme in Frage gestellt, dass eine 42.000 Jahre alte Schlüsselkultur durch Menschen aus dem Nahen Osten nach Europa kam. Die aktuelle Studie, die im Journal of Human Evolution veröffentlicht wurde, untersucht Steinartefakte aus der Ahmarian-Kultur, vor allem in der Fundstelle Ksar Akil im Libanon, sowie der Protoaurignacien-Kultur in Italien. Dr. Armando Falcucci und Professor Steven Kuhn führten eine umfassende vergleichende quantitative Analyse durch.
Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die Technologien zur Herstellung von Steinwerkzeugen in Europa unabhängig von den Verfahren im Nahen Osten entwickelt wurden. Die Ahmarian-Kultur wird zwar als westliche Erweiterung der nahöstlichen Kultur betrachtet, jedoch zeigen die Unterschiede in der Werkzeugherstellung signifikante Divergenzen auf.
Unterschiedliche Herstellungstechniken
In die Analyse flossen Fundstätten in Italien ein, darunter die Grotta di Fumane, Riparo Bombrini und Grotta di Castelcivita. Trotz vergleichbarer äußerlicher Merkmale der Werkzeuge wurden klare Unterschiede in den Herstellungstechniken festgestellt. Diese Erkenntnisse lassen darauf schließen, dass europäische Jäger und Sammler ihre Technologien eigenständig entwickelten. Die Studie fordert daher eine Neubewertung der Annahmen, dass technologische Innovationen in Europa in erster Linie durch Einwanderung aus dem Nahen Osten eingeführt wurden und verweist auf die Komplexität der Ausbreitung des Homo sapiens in Eurasien, einschließlich der Interaktion mit Neandertalern und Denisova-Menschen.(uni-tuebingen.de)
Zusätzlich zu dieser Studie berichten Forscher über bedeutende Funde in Al-Ansab 1, die etwa 10 Kilometer südlich von Petra in Jordanien liegt. Diese Fundstelle gilt als eine der am besten erhaltenen Freilandfundstätten des Ahmarian. Ausgrabungen unter der Leitung von Jürgen Richter an der Universität zu Köln haben gezeigt, dass die Herstellungsmethoden ähnlicher Klingen im frühen Jungpaläolithikum eine wichtige Rolle bei der Jagd auf Huftiere spielten. Diese kleinen, schlanken Lamellen markierten den Beginn der Langstreckenjagd und führten zu einer Abkehr von früheren Jagdpraktiken.
Kulturelle Veränderungen im Jungpaläolithikum
Von 2018 bis 2021 wurde ein Teil des Materials von Jacopo Gennai, dem Hauptautor, neu analysiert. Hierbei wurde ein besonderes Augenmerk auf die el-Wad-Spitzen gelegt, die durch präzisere typometrische Kriterien charakterisiert werden. Diese neuen Erkenntnisse könnten das Verständnis der frühesten jungpaläolithischen Industrie in der Levante verändern und neue Forschungsrichtungen eröffnen.(herder.de)
Die Steinzeit selbst, die als die früheste Epoche der Menschheitsgeschichte gilt, ist gekennzeichnet durch die Herstellung und Nutzung von Steingeräten. Sie begann mit den ältesten Werkzeugen der Oldowan-Kultur vor 2,6 Millionen Jahren und umfasst mehrere kulturelle Phasen, von der Altsteinzeit bis zur Jungsteinzeit. Die Altsteinzeit, in der auch die Aurignacien-Kultur auftritt, ist für die Entwicklung des Homo sapiens entscheidend, insbesondere in Bezug auf technologische und kulturelle Veränderungen. Mit dem Übergang von der letzten Kaltzeit zur Mittelsteinzeit vor etwa 11.700 Jahren beginnt eine neue Ära, in der auch landwirtschaftliche Praktiken Einzug halten und die sozialen Strukturen sich verändern.(wikipedia.org)
Die Kombination dieser Forschungen zeigt, dass es in der Steinzeit vielfältige und voneinander unabhängige Entwicklungen der Steintechnologien gab, die auf eine hohe Innovationskraft der frühen Menschen hindeuten, sowohl im Mittleren Osten als auch in Europa.