
Am 29. Juli 2025 wurde an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU) ein prägender Abschied von Prof. Dr. Sabine Bieberstein gefeiert, die fast zwei Jahrzehnte lang die akademische Landschaft an der KU prägte. Ihre Laufbahn begann mit einem Theologiestudium in Tübingen und Wien und führte sie zur Promotion 1997 an der Universität Fribourg, wo sie eine Dissertation über weibliche Figuren im Lukasevangelium verfasste. Nach ihrer Tätigkeit als Pastoralreferentin in Bern sowie Projektleiterin beim Katholischen Bibelwerk in Zürich, übernahm sie 2006 die Professur für Exegese des Neuen Testaments und Biblische Didaktik an der KU. Im Jahr 2013 übernahm sie zusätzlich die Fachvertretung für Altes Testament.
In ihrer Abschiedsvorlesung thematisierte Bieberstein biblische Literatur in Krisenzeiten. Sie argumentierte, dass viele biblische Texte in Phasen existenzieller Bedrohung entstanden seien. Diese Erzählungen fungierten oft als Gegengeschichten zu dominierenden Narrativen. Ein Beispiel, das sie herausstellte, war die Mose-Geschichte, die als Widerstandsnarrativ gegen die assyrischen Eroberungen interpretiert werden kann. Bieberstein betonte, dass solche Texte das Selbstverständnis von Gemeinschaften in Krisen transformieren könnten.
Forschungsschwerpunkte und Themenschwerpunkte
Beispiele für ihre Forschung umfassen den Apostel Paulus, frühchristliche Gemeinden und die biblische Auferstehungshoffnung. Besonders wichtig war ihr die Genderforschung. Sie stellte zudem die prophetischen Stimmen Ezechiel und Deuterojesaja in den Mittelpunkt, die beide Zukunftsbilder entwerfen und Transformationspotential bieten. Ezechiel verkündete eine heilvolle Zukunft trotz Unheilsprophetien, während Deuterojesaja den Monotheismus als Antwort auf die Verehrung fremder Götter thematisierte.
Zu diesem Anlass sprach auch Prof. Dr. Martin Schneider, der die transformative Kraft der Hoffnung betonte. Er forderte eine Auseinandersetzung mit Krisen und erklärte, dass echte Emanzipation positive Zukunftsvisionen erfordere. Schneider unterschied zwischen persönlicher Hoffnung, die er als „Espoir“ bezeichnete, und transzendenter Hoffnung, die er als „Espérance“ definierte. Für ihn ist zudem ein neues Freiheitsverständnis notwendig, das sich an den planetaren Grenzen orientiert.
Erzählungen und Rituale als transformative Kräfte
Das Event war geprägt von der Diskussion über die Rolle von Geschichten in der religiösen Bildung. Prof. Dr. Simone Birkel erörterte die Bedeutung von utopischem Denken und emotional ansprechenden Erzählungen als Mittel zur positiven Transformation. Hierbei stellte sie fest, dass Hoffnung zwischen Passivität und Aktivität vermittelt.
Im Fokus standen auch die Rituale, über die Prof. Dr. Rowena Roppelt sprach. Inspiriert von Margaret Atwoods Roman untersuchte sie, wie Rituale ökologische Verantwortung fördern und materielle Veränderungen im Lebensstil bewirken können. Sie forderte christliche Traditionen auf, ihre liturgischen Praktiken kritisch zu reflektieren.
Diese eindrucksvollen Vorträge und Diskussionen spiegeln die Vielfalt und Tiefe von Biebersteins Arbeit und den Austausch an der KU wider. Ihre Forschungsinteressen und ihre Lehre werden weiterhin einen bedeutenden Einfluss auf die theologische Bildung und die Diskussion über Identität und Hoffnung in Krisenzeiten haben.
Weitere Details zu den Themen finden Sie in der Publikation „Religiöse Erfahrung und ihre transformative Kraft“ von Sabrina Müller, erschienen bei De Gruyter im Jahr 2023, die sich mit den hermeneutischen Zugängen zu den praktischen Aspekten der Theologie beschäftigt Hier.
Für mehr Informationen über Prof. Dr. Sabine Biebersteins letzte Vorlesung besuchen Sie bitte die Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt.