
Am 3. Mai 2025 ist Professor Dr. Jochen Martin im Alter von 88 Jahren verstorben. Der angesehenen Historiker wurde 1976 als erster Professor für Alte Geschichte an die Universität Bielefeld berufen und gilt als einer der Gründerväter der Alten Geschichte innerhalb der Fakultät für Geschichtswissenschaft. Seine Schaffensperiode an der Universität erstreckte sich über vier Jahre, bevor er an die Universität Freiburg im Breisgau wechselte.
In diesen vier Jahren legte Martin den Grundstein für die Entwicklung der Althistorie in Bielefeld. Er wurde früh Dekan der Fakultät und spielte eine entscheidende Rolle bei der Strukturgebung sowie der Integration der Abteilung Philosophie. Bereits 1978 übernahm er das neu eingerichtete Prorektorat für Lehre und studentische Angelegenheiten. Ein bedeutendes Anliegen war ihm dabei die institutionelle Verankerung der „Frauenforschung“ im Rahmen eines Universitätsschwerpunkts (USP). Über seinen Einfluss auf die Universität Bielefeld und die Fakultät für Geschichtswissenschaft, Philosophie und Theologie hinaus, wird sein Vermächtnis auch in einem ausführlichen Nachruf im Blog der Abteilung Geschichtswissenschaft gewürdigt, wie aktuell.uni-bielefeld.de berichtet.
Bielefelder Althistorie und ihre Methodik
Die Althistorie in Bielefeld zeichnet sich nicht nur durch ihre gelebte Tradition aus, sondern auch durch ihren spezifischen methodischen Ansatz. Diese Fachrichtung konzentriert sich auf die historische Existenz des Menschen in antiker Gestalt und analysiert zentrale Formationskategorien wie Institutionen, Machtverhältnisse und Ungleichheit. Der Fokus auf menschliche Grundfigurationen wie Familie, Geschlecht und Wirtschaften ist von zentraler Bedeutung für die Forschung.uni-bielefeld.de
Die Bielefelder Althistoriker nutzen sowohl klassische als auch moderne soziologische Modelle im Interpretationsprozess, um antike Phänomene mit der historischen Selbstverortung des Menschen in der Gegenwart zu verbinden. Ein elementares Ziel der Forschungsarbeiten ist es, ordnendes Zusammenhangswissen zu vermitteln und den Kontakt zu antiken Quellen zu fördern.
Frauen- und Geschlechtergeschichte als akademische Disziplin
Die Diskussion um die Rolle der Frau in der Geschichtswissenschaft ist ein Bereich, der zunehmend an Bedeutung gewonnen hat. In den letzten 15 Jahren hat sich die Frauengeschichtsforschung als eigenständige akademische Disziplin etabliert. Ein Beispiel dafür ist die bevorstehende Tagung beim Historikerkongress im September in Münster, wo drei Sektionen zu Frauen- und Geschlechtergeschichte präsentiert werden. Diese reflektiert Fortschritte, trotz der Herausforderungen, denen sich Historikerinnengegenübersehen, wie bpb.de berichtet.
Die erfolgreiche Etablierung der Frauengeschichte erfordert eine kontinuierliche Auseinandersetzung mit patriarchalen Strukturen in der Geschichtswissenschaft. Feministische Theoretikerinnen fordern eine neue Sichtweise, die die Erfahrungen von Frauen in den Mittelpunkt stellt und ein grundlegendes Element in einem historischen Denken darstellt, das patriarchale Prämissen hinterfragt. Trotz der Fortschritte in der Personalstellenvergabe für Historikerinnen bleibt die Unterrepräsentation von Frauen in der Geschichtsforschung eine Herausforderung, die es zu adressieren gilt.
Der Beitrag von Professor Dr. Jochen Martin zur Förderung der Frauenforschung zeigt, dass die Integration solcher Themen in die akademische Auseinandersetzung sowohl notwendig als auch fortwährend gefordert bleibt. Die Wissenschaftsgemeinschaft ist aufgefordert, die Einsichten und Perspektiven aus der Frauengeschichtsforschung stärker zu berücksichtigen und die Sichtbarkeit historischer Frauenarbeiten nachhaltig zu verbessern.