
Im Jahr 1946 und 1947 lebten schätzungsweise 250.000 Juden in Deutschland, von denen nur rund 15.000 als deutsche Juden zu betrachten waren. Die Mehrheit setzte sich aus Displaced Persons (DPs) zusammen, die aus Osteuropa stammten. Nach der Repatriierung in die Sowjetunion und der Flucht in die amerikanische Besatzungszone fanden sie in Deutschland eine neue Zuflucht. Prof. Atina Grossmann, eine renommierte Historikerin und Professorin für moderne deutsche und europäische Geschichte sowie Geschlechtergeschichte an der Cooper Union for the Advancement of Science and Art, wird in ihrem bevorstehenden Vortrag auf die vielschichtigen Erfahrungen dieser DPs eingehen und deren Einfluss auf das kollektive Gedächtnis von Verfolgung und Überleben thematisieren, wie uni-heidelberg.de berichtet.
Ein zentraler Aspekt ihres Vortrags befasst sich mit dem Wiederaufbau des Lebens und der Familien der Betroffenen sowie den Begegnungen zwischen Juden und Deutschen in der Nachkriegszeit. Diese Thematik ist besonders relevant, da die Geschichtswissenschaft über viele Jahre hinweg ein starkes Augenmerk auf die Ereignisse zwischen 1933 und 1945 gelegt hat, insbesondere auf den nationalsozialistischen Völkermord. In den letzten 25 Jahren hat sich jedoch das Interesse auf die Phase der Befreiung konzentriert, die als eigenständiges Kapitel in der Geschichtsforschung betrachtet wird. Der Umgang mit den DPs nach dem Zweiten Weltkrieg führt uns vor Augen, wie demografische Verschiebungen auch heute noch aktuelle Fluchtbewegungen beeinflussen, wie bpb.de ausführlich darlegt.
Die Situation der Displaced Persons
Im Sommer 1945 standen viele DPs, die 6,5 bis 7 Millionen Menschen zählten, vor der Herausforderung, ein neues Leben in einem fremden Land aufzubauen. Bis Ende 1946 lebten in den westlichen Besatzungszonen Deutschlands insgesamt 914.997 DPs, darunter 507.012 aus östlichem Europa. Die Lebensbedingungen für jüdische DPs in der amerikanischen Zone verbesserten sich allmählich, wobei spezielle DP-Lager eingerichtet wurden. Bis 1950 nahm Bayern 1,8 Millionen Flüchtlinge und Vertriebene auf, und die UNRRA übernahm die Betreuung in einer Vielzahl von DP-Lagern, wie es bpb.de beschreibt.
Die Herausforderungen für DPs waren nicht nur physischer Natur; der soziale Zusammenhalt und die Vorurteile der deutschen Bevölkerung führten häufig zu Spannungen. Die Rückkehrer waren mit Antisemitismus konfrontiert, und viele Deutsche hatten Angst vor der Rückgabe von geraubtem Eigentum und der Verantwortung für den Völkermord. In dieser Zeit kam es auch zu einem Massenzustrom jüdischer DPs, der besonders ab 1946 zu beobachten war.
Historische Reflexion und Erinnerung
Die Rückkehrer veränderten nicht nur die Mitgliedsstrukturen der jüdischen Gemeinden in Deutschland, sondern brachten auch eine komplexe Geschichte mit sich, die in der Vergangenheit der Bundesrepublik wenig Beachtung fand. Auch wenn die meisten jüdischen DP-Lager 1951 geschlossen wurden, blieb die Auseinandersetzung mit ihrer Geschichte und ihren Erfahrungen wichtig für die Gesellschaft. Professor Grossmann wird diese Aspekte im Rahmen der Ruperto Carola Ringvorlesung der Universität Heidelberg weiter explizieren. Die Vortragsreihe trägt den Titel „1945: Epochenschwelle und Erfahrungsraum“ und bietet wertvolle Einblicke in das menschliche Erleben dieser Wendezeit.
Nach ihrem Vortrag am 26. Juni 2025 wird am 7. Juli 2025 auch Prof. Dr. Kerstin von Lingen zu den Kulturgütern in der „Alpenfestung“ zu Kriegsende 1945 referieren. Die Aufzeichnungen der Vorträge sind auf heiONLINE, dem zentralen Portal der Universität Heidelberg, verfügbar.