
Am 23. Mai 2025 wurde Dr. Annalena Mayr für ihre herausragende Dissertation mit dem Dissertationspreis der Gesellschaft zur Förderung der sozialrechtlichen Forschung e. V. ausgezeichnet. Ihre Arbeit trägt den Titel „Die menschenwürdige Existenz von Geflüchteten. Zwischen Rechtslage und Rechtswirklichkeit“ und wurde im Oktober 2024 mit summa cum laude verteidigt. Prof. Dr. Claudia Maria Hofmann betreute das Projekt, das sich intensiv mit den sozialen Rechten von Geflüchteten in einem globalen Kontext auseinandersetzt.
Mayr thematisiert insbesondere die Auswirkungen geopolitischer Krisen, Kriege und Klimawandel auf die Lebensrealitäten von Geflüchteten. Ihre Dissertation beleuchtet auch die Nutzung sozialer Rechte als Mittel der Migrationssteuerung. Die Forschung deckt zwei wesentliche Leerstellen auf: den Mangel an differenzierter Betrachtung der sozialen Rechte Geflüchteter sowie die fehlende Diskussion über die Durchsetzbarkeit dieser Rechte.
Forschungsmethodik und Erkenntnisse
Methodisch wird in der Dissertation sowohl rechtsdogmatisch als auch rechtssoziologisch vorgegangen. Ein zentrales Ergebnis der Arbeit ist die Identifikation und Systematisierung des Rechts auf ein physisches Existenzminimum für Geflüchtete im internationalen, europäischen und deutschen Recht. Um die Rechtswirklichkeit von Geflüchteten zu beleuchten, führte Mayr eine empirische Studie durch, die auf Interviews mit Rechtsberatenden basierte.
Die wichtigsten Erkenntnisse der Dissertation sind, dass Geflüchtete umfangreiche Rechte im internationalen Rahmen besitzen, die in nationalen Gerichten geltend gemacht werden können. Allerdings ist die Rechtsmobilisierung mit systematischen Barrieren konfrontiert, wie etwa dem Mangel an sozialer Arbeit und prekären Beratungsstrukturen. Mayr beschreibt ihre Forschungszeit an der Viadrina als positiv, was auch die Unterstützung durch den Lehrstuhl von Claudia Maria Hofmann und das Viadrina Center for Graduate Studies (VCGS) umfugt.
Der Asylrechtskontext in der EU
In einem weiteren Kontext sind die Rechte von Asylsuchenden in mehreren EU-Mitgliedstaaten eingeschränkt. Aktuelle Berichte zeigen, dass Betroffene oftmals den Zugang zu fairen Asylverfahren, menschenwürdiger Aufnahme und ausreichender Versorgung verwehrt wird. Die geplanten Reformen des EU-Asylrechts, die vor allem eine Beschleunigung der Asylverfahren zum Ziel haben, scheinen die bestehenden Missstände nicht ausreichend zu adressieren. Stattdessen entwickeln sie sich weg von den grundlegenden menschenrechtlichen Prinzipien.
Eine Schlüsselaspekt der Reform ist die Einführung beschleunigter Asylverfahren an den Außengrenzen der EU, wo ankommende Personen künftig registriert werden. Kritiker warnen jedoch vor den Gefahren eines systematischen Freiheitsentzugs aufgrund eines Asylantrags, was gegen die Grundsätze der Genfer Flüchtlingskonvention verstößt. Diese Reformen schüren zudem Bedenken über die humanitären Bedingungen in sogenannten sicheren Drittstaaten und derartige Praktiken könnten zu Kettenabschiebungen führen.
Die EU hat ein neues Asylgesetz erlassen, das unter anderem die Registrierung ankommender Personen und die Auslagerung von Asylprüfungen in Drittstaaten umfasst, die die Genfer Flüchtlingskonvention nicht unterzeichnet haben. Diese Entwicklungen wurden von Menschenrechtsorganisationen scharf kritisiert, da sie die Rechte von bereits verletzlichen Gruppen, insbesondere Familien und unbegleitete Minderjährige, gefährden.
Ein Einführung eines „Solidaritätsmechanismus“ zur Verteilung der Verantwortung für die Aufnahme von geflüchteten Menschen ist ebenfalls Teil der Reform. Mitgliedstaaten, die sich nicht kooperativ zeigen, müssen mit finanziellen Strafen rechnen. Allerdings wird kurzfristig nicht mit einer Abnahme der Migrantenzahlen nach Deutschland gerechnet, da die neuen Regelungen noch nicht vollständig in die Praxis umgesetzt sind. Das Zusammenspiel dieser Reformen und die Herausforderungen, vorzugsweise in Bezug auf die Durchsetzbarkeit der Rechte von Geflüchteten, bleibt somit kritisch zu beobachten.
Dr. Mayr selbst hat sich entschieden, nach Erlangung des Doktortitels ein Rechtsreferendariat am Landgericht Frankfurt (Oder) zu absolvieren. Sie denkt darüber nach, möglicherweise in die Wissenschaft zurückzukehren, um künftige Fachkräfte und gesellschaftliche Akteure für die Rechte von geflüchteten Menschen zu sensibilisieren und die drängenden Herausforderungen in dieser Praxis weiterhin zu untersuchen.
Insgesamt zeigt die Forschung von Dr. Mayr, wie essenziell eine fundierte rechtliche Betrachtung der Lebenssituation von Geflüchteten ist, insbesondere im Kontext eines sich wandelnden Migrationsrechts in der EU. Die Herausforderungen bleiben sowohl rechtlicher als auch praktischer Natur und erfodern ein stetiges Engagement seitens Wissenschaft und Gesellschaft.