
Am 4. Juni 2025 wird an der Universität Kiel der Lebensweg von Dr. Clara Stier-Somlo beleuchtet, einer bemerkenswerten Frau, die bis 1933 an der Universitätsbibliothek tätig war. Ihre Karriere fiel in eine Zeit des extremen Antisemitismus und der Verfolgung, die durch die nationalsozialistische Ideologie geprägt war. Nach einem beschleunigten Aufstieg in der akademischen Welt wurde Stier-Somlo aufgrund ihrer jüdischen Herkunft entlassen und war gezwungen, ins Exil zu gehen.
Dr. Clara Johanna Stier-Somlo wurde am 22. Dezember 1899 in Charlottenburg geboren. Sie war die Tochter des Rechtswissenschaftlers Fritz Stier-Somlo und Gertrud Rosenthal. Ihre familiären Wurzeln lagen in der jüdischen Bildungstradition; ihr Großvater, Josef Stier, war Rabbiner der Neuen Synagoge in Berlin. Clara studierte in Köln, München und Frankfurt am Main und promovierte 1924 an der Universität Köln. Ihre Dissertation befasste sich mit dem Thema „Substitutionsprinzip und Substitutionsgesetz in der Wirtschaftstheorie“.
Karriere und Entlassung
Im Jahr 1930 bestand sie die Prüfung für den Höheren Bibliotheksdienst, was den Grundstein für ihre Karriere als wissenschaftliche Bibliothekarin legte. Zunächst arbeitete sie an der Preußischen Staatsbibliothek in Berlin, bevor sie 1932 zur Kieler Universitätsbibliothek wechselte. Doch diese Laufbahn fand ein jähes Ende, als Clara Stier-Somlo am 1. April 1933 aufgrund ihrer jüdischen Abstammung und unter Gewaltandrohung von Nationalsozialisten aus der Bibliothek gedrängt wurde. Der Vorwurf lautete, sie habe zu viel katholische und jüdische Literatur beschafft.
Nach ihrer Entlassung emigrierte sie nach Prag. Dort lebte sie bis zu ihrer Deportation im Jahr 1942. Am 10. Juni 1942 wurde sie mit tausend anderen Juden nach Polen deportiert. Ihre Deportationsnummer war 73. Viele der Deportierten wurden im KZ Majdanek ermordet, während andere ins Vernichtungslager Sobibor gebracht wurden. Stier-Somlo überlebte diese Gefangenschaft nicht; sie wurde wahrscheinlich zwischen Juni 1942 und Oktober 1943 ermordet. Der Holocaust, in dessen Kontext ihre Deportation stattfand, gilt als einer der grausamsten Völkermorde der Geschichte, bei dem schätzungsweise 5,7 Millionen jüdische Menschen ums Leben kamen.
Erinnern und Gedenken
Die Aufarbeitung ihres Schicksals erfährt durch ein aktuelles Projekt der Universität Kiel neue Aufmerksamkeit. Unterstützt von Daniela Herzberg und Kristin Grothe, wurde eine Audioinstallation entwickelt, die das Leben von Clara Stier-Somlo lebendig macht. Diese wird drei Monate lang in der Universitätsbibliothek präsentiert und ergänzt durch Exilgedichte aus der Zeit des Nationalsozialismus, die ab dem 3. Juni 2025 in die Ausstellung integriert werden. Schulleiter Gerhard Müller hebt die Bedeutung des Projekts als Teil des Gedenkens an vergangenes Unrecht hervor.
Das Projekt wird zusätzlich durch das Ministerium für Allgemeine und Berufliche Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur (MBWFK) sowie das Schleswig-Holsteinische Institut für Berufliche Bildung (SHIBB) unterstützt. Auch eine wissenschaftliche Stelle zur Erforschung von Clara Stier-Somlos Leben und Schicksal ist bereits in Planung, um die Erinnerungsarbeit nachhaltig zu stärken.
Abschließend wird in Kiel bereits ein Stolperstein für Clara Stier-Somlo geehrt. Dieser wurde am 5. März 2015 verlegt und ist Teil der Erinnerungskultur, die durch Gunter Demnig in Deutschland initiiert wurde. Diese Gedenksteine sollen an die Opfer der NS-Verfolgung erinnern und deren Schicksale sichtbar machen. Diese Form der Erinnerung ist besonders wichtig, um das Bewusstsein für die grausamen Verbrechen des Nationalsozialismus zu schärfen und zukünftige Generationen dazu anzuregen, sich mit der Geschichte auseinanderzusetzen.
Für eine umfassendere Einsicht in Clara Stier-Somlos Lebensgeschichte und den historischen Kontext, siehe die Berichte von Kieler Universität, Wikipedia und segu-geschichte.