
Ein internationales Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern hat kürzlich wichtige Fortschritte im Verständnis der Navigationsmechanismen von Nilflughunden (Rousettus aegyptiacus) erzielt. Die Forschung wurde auf Latham Island im Indischen Ozean durchgeführt, etwa 40 Kilometer östlich von Tansania, wo das Team erstmals die Aktivität von Kompassneuronen in freier Wildbahn beobachtete. Die Studie, die im renommierten Journal Science veröffentlicht wurde, könnte weitreichende Implikationen für das Verständnis der dreidimensionalen Raumwahrnehmung im Gehirn von Säugetieren haben.
Die Studienleiter, darunter Prof. Dr. Henrik Mouritsen von der Universität Oldenburg und Dr. Nachum Ulanovsky vom Weizmann Institute of Sciences in Rehovot (Israel), verwendeten winzige Datenlogger, um die Gehirnaktivität der Flughunde während des Flugs aufzuzeichnen. Während sechs Nilflughunde für 30 bis 50 Minuten nachts über die Insel flogen, wurden GPS-Signale und neuronale Daten gesammelt. Diese Messungen führten zu einer beispiellosen Erfassung der Aktivität von über 400 Nervenzellen in relevanten Gehirnregionen.
Funktion der Kopfrichtungszellen
Die Ergebnisse der Studie belegen die Aktivität spezieller Nervenzellen, die aktiv werden, wenn der Kopf der Fledertiere in eine bestimmte Richtung zeigt. Dies gibt den Forschenden wertvolle Einblicke in den grundlegenden Navigationsmechanismus der Flughunde, der global funktioniert und unabhängig von lokalen Gegebenheiten ist. Vorangegangene Experimente in Israel hatten bereits verdeutlicht, dass das Erdmagnetfeld vermutlich keine Rolle bei der Navigation dieser Tiere spielt.
Die Erkenntnisse liefern erstmals Beweise für die Funktion von Kopfrichtungszellen in freier Wildbahn und zeigen, dass Flughunde einige Nächte benötigen, um Landmarken zu lernen und sich zu orientieren. Diese Lernfähigkeit führt dazu, dass der neuronale Kompass der Tiere nach etwa drei Nächten zuverlässig funktioniert. Insbesondere spielt das Sehen eine entscheidende Rolle für die Orientierung der Flughunde.
Wissenschaftlicher Kontext und weitere Forschungen
Die Arbeiten von Dr. Nachum Ulanovsky und seinem Team gehen über die spezifischen Beobachtungen hinaus. Die Forschungsziele umfassen auch ein besseres Verständnis der dreidimensionalen Raumwahrnehmung im Gehirn von Säugetieren. Durch die Nutzung von Miniaturgeräten zur Messung der neuronalen Aktivitäten während des Flugs der Flughunde hoffen die Forscher, neue Sichtweisen auf die Navigation, das räumliche Gedächtnis und die räumliche Wahrnehmung zu gewinnen.
Bislang fanden Experimente zur Orientierung von Säugetieren hauptsächlich in zwei-dimensionalen Umgebungen statt. Die Herausforderungen bei der Navigation durch die dreidimensionale reale Welt wurden bis jetzt oft ignoriert. Die jährlich stattfindenden Forschungsexpeditionen, die 2023 begannen, und eine geplante zweite Expedition im Jahr 2024 sollen dazu beitragen, die menschlichen Navigationsmechanismen besser zu verstehen.
Das Projekt wird von verschiedenen Stiftungen und dem Europäischen Forschungsrat unterstützt, wobei auch Wissenschaftler wie Dr. Liora Las und Dr. Abdalla Ali (Staatliche Universität von Sansibar) zu den Erkenntnissen beitragen. In Zukunft könnte die Arbeit an den Kopfrichtungszellen von Flughunden weitreichende Auswirkungen auf das Verständnis von Navigationsmechanismen im menschlichen Gehirn haben, wie Weizmann Institute berichtet.