
Am 26. März 2025 fand in Flensburg die Auftakttagung einer neuen Forschungsgruppe statt, die sich mit dem Thema Antiziganismus und dessen Ambivalenzen zwischen 1850 und 1950 beschäftigt. Initiatoren des Projekts sind die Europa-Universität Flensburg und mehrere andere Universitäten. Der Antiziganismus bezeichnet Ungerechtigkeiten, die über Generationen hinweg gegen Sinti*zze und Rom*nja verübt wurden und wird als eine Form des Rassismus gegen diese Gemeinschaften betrachtet.
Das vierjährige Forschungsprojekt zielt darauf ab, die historischen Hintergründe, Verflechtungen und Dynamiken des Antiziganismus in Europa zu beleuchten. Prof. Dr. Christiane Hipp, die Präsidentin der Europa-Universität Flensburg, betont dabei die Wichtigkeit, Diskriminierung nicht hinzunehmen. Es gehe darum, die Vergangenheit zu betrachten, um die aktuellen Phänomene des Antiziganismus besser zu verstehen. Das Projekt untersucht unter anderem, wie Darstellungen und Vorstellungen das Unrecht verstärkten und zur Ausgrenzung und Diskriminierung führten.
Ziele der Forschungsgruppe
Die Forschungsgruppe verfolgt zwei Hauptziele: Zum einen soll die Ausgrenzung, die Vorurteile und die Stereotypen, die zwischen 1850 und 1950 entstanden sind, untersucht werden. Zum anderen werden die Handlungsmöglichkeiten erforscht, die Sinti*zze und Rom*nja in dieser Zeit entwickelten und nutzten. Besonders fokussiert wird in der ersten Phase das „vermeintliche Wissen“, das über die Gruppen ohne deren Zutun konstruiert wurde. Viele bedeutende Zeitungen und Zeitschriften, die von Sinti*zze und Rom*nja veröffentlicht wurden und bereits vor mehr als hundert Jahren existierten, wurden häufig ignoriert oder in Vergessenheit geraten.
In dem Projekt sind neun Nachwuchswissenschaftler*innen aus verschiedenen Universitäten beteiligt, darunter Heidelberg, Gießen, Marburg, Regensburg und Flensburg. Prof. Dr. Iulia-Karin Patrut, Sprecherin der Forschungsgruppe, hebt hervor, dass das Verständnis der Widersprüche und historischen Entwicklungen unverzichtbar ist, um die Widerstandsfähigkeit des Antiziganismus zu begreifen. Das gesamte Projekt steht im Zeichen der Aufklärung über eine jahrhundertealte Diskriminierung, die wie ein Schatten über der Geschichte von Sinti und Roma liegt.
Historische Perspektive und aktuelle Relevanz
Die Diskriminierung der Sinti und Roma hat eine lange Geschichte, geprägt von Verfolgung und Ungerechtigkeiten. In der NS-Zeit wurden geschätzt 500.000 Sinti und Roma systematisch verfolgt, deportiert und ermordet; ihre Menschenrechte wurden systematisch missachtet. Trotz ihrer jahrhundertelangen Präsenz in Deutschland bestehen noch immer tief verwurzelte Vorurteile und Diskriminierung gegenüber diesen Gruppen. Klischees sind oft nicht mit der Realität dieser ethnischen Minderheiten verbunden, und das Unwissen über ihre Geschichte trägt zur Aufrechterhaltung dieser Vorurteile bei.
Aktuelle Initiativen, wie die Organisation Madhouse, beschäftigen sich mit der Aufklärung in Schulen, um Vorurteile abzubauen. Benjamin Adler von Madhouse fordert eine verstärkte Aufnahme des Themas Sinti und Roma in den Lehrplan, um Kinder und Jugendliche sensibilisieren und aufklären zu können. In Europa leben rund 12 Millionen Sinti und Roma, die größte ethnische Minderheit Europas, deren Vorfahren aus Indien und Pakistan stammen.
Die gesetzliche Diskriminierung von Sinti, Roma und Jenischen ist in Deutschland verboten, und der Staat ist verpflichtet, ihre Kultur und Identität zu schützen. Dennoch bleibt die Unterstützung für von Diskriminierung Betroffene oft unzureichend. Künstler wie RealTschawo nutzen Musik, um das Bewusstsein für die Identität der Sinti zu schärfen und die Integration zu fördern.
Die Forschungsgruppe ist ein bedeutender Schritt, um die Herausforderungen und Diskriminierungen, die Sinti*zze und Rom*nja auch heute noch erleben, sichtbar zu machen und die dringend notwendigen Diskussionen zu führen. Weitere Informationen sind auf der Website der Europa-Universität Flensburg verfügbar. Uni Flensburg berichtet, dass die Erforschung von Antiziganismus eine entscheidende Rolle im Verständnis von Ausgrenzung und Diskriminierung spielt. Auch BR hebt hervor, dass die Geschichte der Sinti und Roma vielschichtig und tragisch ist und dass Aufklärungsarbeit nach wie vor notwendig ist.