
Am 28. Mai 2025 fiel der Startschuss für das interdisziplinäre Forschungsprojekt SEASCAPE, welches sich dem spannenden Thema der Megastrukturen am Grund der Ostsee widmet. Dieses von der Universität Rostock initiierte Projekt hat eine dreijährige Laufzeit und wird in Kooperation mit dem Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde (IOW), dem Leibniz-Zentrum für Archäologie (LEIZA) und der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel durchgeführt. Das Auftakttreffen fand am IOW statt und diente dem Kennenlernen der beteiligten Forschenden sowie der Planung der nächsten Schritte.
Im Mittelpunkt von SEASCAPE steht die Erschließung und Kartierung potenzieller Megastrukturen, die Hinweise auf die Lebensweise frühsteinzeitlicher Jäger und Sammler geben sollen. Diese Neubewertung wird durch die Entdeckung einer nahezu einen Kilometer langen Steinreihe vor der Küste von Rerik unterstützt, die zwischenzeitlich als bedeutende Jagdanlage identifiziert wurde. Die Steinstruktur entstand vermutlich vor etwa 11.000 Jahren und deutet auf eine ausgeklügelte Methode zur Rentierjagd hin, bevor die Landschaft durch den Anstieg des Meeresspiegels überflutet wurde.
Forschungsmethodik und Geplante Untersuchungen
Das Projekt zielt darauf ab, die Hypothese einer menschgemachten Jagdanlage geophysikalisch, geologisch und unterwasserarchäologisch zu überprüfen. Marcel Bradtmöller, Altertumswissenschaftler an der Universität Rostock, ist einer der Hauptverantwortlichen und Mitautor einer Studie, die die Steinmauer als steinzeitliche Tierfalle identifiziert. Diese Struktur weist Ähnlichkeiten zu den sogenannten Wüstendrachen auf, die von Jäger- und Sammlergruppen in der arabischen Halbinsel errichtet wurden.
Bereits jetzt deuten erste Auswertungen darauf hin, dass der Ostsee-Steinwall in Verbindung mit einem versunkenen See oder Moor verwendet wurde. Das Ziel war es, Rentiere am Rande des Gewässers zu konzentrieren, um die Jagd effizienter zu gestalten. Interessanterweise sind große steinzeitliche Strukturen im zentralen Europa selten, da viele dieser Bauwerke über die Jahrtausende hinweg verloren gegangen sind. In der Mecklenburger Bucht wird jedoch vermutet, dass weitere Steinwälle aus der Steinzeit existieren.
Ein Einblick in die Steinzeit
SEASCAPE wird nicht nur die bereits entdeckte Steinreihe praxisnah untersuchen, sondern auch neue, bislang unerforschte Stellen in der Flensburger Förde und im Fehmarnsund ansteuern. Ziel ist es, ein detailliertes Bild der damaligen Umweltbedingungen zu rekonstruieren und die kulturellen Funktionen der Megastrukturen zu klären. Das Projekt wird im Rahmen der Förderlinie „Kooperative Exzellenz“ des Leibniz-Wettbewerbs mit fast 1 Million Euro unterstützt und erhielt im Dezember 2024 den Anerkennungspreis des Norddeutschen Wissenschaftspreises.
Die umfassenden Unterwasseruntersuchungen werden durch die Verwendung des Forschungsschiffes Limanda und durch universitäre Forschungstaucher unterstützt. Die Ergebnisse des SEASCAPE-Projekts sollen nicht nur beantwortete Fragen zu den frühzeitlichen Kulturlandschaften aufwerfen, sondern auch einen bedeutenden Beitrag zum Verständnis der Menschheitsgeschichte in der Region leisten.
In diesem Kontext knüpft das Projekt an frühere Arbeiten am IOW an, die in den frühen 2000er Jahren versunkene Seen und alte Uferlinien kartierten. Die Ergebnisse dieser umfangreichen Studien sollen jetzt weiter vertieft und in einen breiteren archäologischen Kontext gestellt werden. uni-rostock.de berichtet, dass dies einen wichtigen Schritt zur Klärung der Lebensverhältnisse in der Region während der Steinzeit darstellt. nationalgeographic.de ergänzt, dass die Steinmauer das älteste jemals in der Ostsee entdeckte menschliche Bauwerk ist, während archaeologie-online.de betont, dass das Projekt ein umfassendes Bild der jüngeraltsteinzeitlichen Lebensweise anstrebt.