
Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) und der FAO/IAEA hat ein bedeutendes Gen der Mittelmeerfruchtfliege identifiziert. Dieses Gen ermöglicht es, dass Weibchen nach einer Hitzebehandlung nicht weiterentwickeln. Die Entdeckung stellt einen entscheidenden Fortschritt für die Sterile Insektentechnik (SIT) dar, eine umweltfreundliche Methode zur Bekämpfung von Schädlingen, über die bereits 1916 erste Anwendungen bekannt wurden, als Röntgenstrahlen zur Sterilisation von Insekten verwendet wurden. In den 1950er-Jahren fand die SIT erfolgreiche Anwendungen in den USA, insbesondere gegen den Neuwelt-Schraubenwurm.
Die Effizienz der SIT basiert auf einer zuverlässigen Trennung männlicher und weiblicher Tiere, wobei ausschließlich sterile Männchen freigesetzt werden. Ende der 1980er-Jahre wurde die tsl-Mutation entdeckt, die eine Geschlechtsseparation bei der Mittelmeerfruchtfliege (Ceratitis capitata) ermöglicht. Dabei sterben weibliche Nachkommen im Embryonalstadium nach Hitzeeinwirkung, was eine massenhafte Zucht männlicher Fliegen erlaubt. Ein identifiziertes Gen der Lysyl-tRNA-Synthetase (LysRS) zeigt, dass eine Punktmutation zu temperaturabhängiger Letalität führt.
Nachhaltige Schädlingsbekämpfung durch genetische Innovation
Durch die Einführung von Genom-Editierungstechniken können Forscher diese Mutation in Wildtyp-Linien umsetzen, was zur Entwicklung ausschließlich männlicher Nachkommen nach Hitzeeinwirkung führt. Diese Entdeckung eröffnet molekulare Werkzeuge für die genetische Geschlechtsseparation bei anderen Insektenarten. Kostas Bourtzis von der FAO/IAEA bezeichnete die Entdeckung als Meilenstein für zukünftige SIT-Programme. Marc F. Schetelig von der JLU betonte, dass dadurch eine Wissenslücke für nachhaltige Insektenbekämpfung ohne chemische Insektizide geschlossen wurde.
Die Zusammenarbeit zwischen der JLU und der FAO/IAEA wird durch das „Liebig Centre for Agroecology and Climate Impact Research“ als offizielles Kooperationszentrum der IAEA gefördert. Ziel ist die Entwicklung biotechnologischer Werkzeuge für die nachhaltige Schädlingsbekämpfung weltweit. Die Originalstudie wird in der Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America“ veröffentlicht.
Der Fall der Mittelmeerfruchtfliege in Spanien
Die Mittelmeerfruchtfliege ist ein erheblicher Schädling in der Landwirtschaft, insbesondere in der valencianischen Gemeinschaft in Spanien. Dort betrifft sie vor allem Zitrusfrüchte. Um dem Problem Herr zu werden, implementierte die valencianische Landwirtschaftsbehörde 2007 ein integriertes Schädlingsmanagement (AW-IPM), wobei die Sterile-Insekten-Technik als Hauptmethode eingesetzt wird. Vor der Einführung des Programms basierte die Bekämpfung von Ceratitis capitata größtenteils auf Insektiziden.
Ein Pilotprojekt zwischen 2003 und 2006 erreichte eine beeindruckende Reduktion von über 90% der Wildpopulation von C. capitata. Seitdem sind der Insektizideinsatz um mehr als 90% gesenkt und die Exporte von Zitrusfrüchten aus der Region haben einen signifikanten Anstieg erfahren. Die Massenvermehrung erfolgt in einer speziellen Einrichtung, die eine wöchentliche Produktionskapazität von 500 Millionen sterilen Puppen hat. Die Kosten des AW-IPM-Programms betragen rund 9,5 Millionen Euro jährlich und werden gemeinsam von der valencianischen Landwirtschaftsbehörde und dem spanischen Ministerium für Landwirtschaft finanziert.
Um die Fruchtfliegenpopulation zu überwachen, wird ein Netzwerk von über 1200 Fallen wöchentlich kontrolliert. Diese umfassende Überwachung zusammen mit der Freisetzung steriler Männchen, die durch Bestrahlung sterilisiert werden, hat dazu geführt, dass der Insektizideinsatz drastisch reduziert wurde – von über 6 Millionen Litern pro Jahr auf nur 150.000 Liter in den letzten Jahren.
Die erfolgreiche Anwendung der Sterile-Insekten-Technologie hinsichtlich der Mittelmeerfruchtfliege zeigt, dass durch moderne Wissenschaft und internationale Kooperationen wesentlich zur ökologischen Schädlingsbekämpfung beigetragen werden kann. Der Ansatz hat nicht nur positive Auswirkungen auf die Umwelt, sondern auch auf die Wirtschaft der Zitrusindustrie in der valencianischen Gemeinschaft, die als größter Zitrusproduzent Spaniens gilt.
Uni Gießen berichtet, dass … PMC liefert weiterführende Informationen und Uni Göttingen zeigt die Entwicklungen in der Forschung auf.