
Am 7. Oktober 2025 haben die Universitäten Göttingen und Freiburg einen bedeutenden Schritt in Richtung Restitution unternommen, indem sie menschliche Überreste an eine Delegation der Republik Marshallinseln übergeben haben. Die formelle Übergabe der Gebeine, die von den Marshallinseln stammen, fand in Göttingen statt. Doreen deBrum, die Botschafterin der Marshallinseln, äußerte, dass dieser Moment eine wichtige Geste zur Wiederherstellung der Würde der Vorfahren darstellt. Die zurückgegebenen Überreste umfassen vier Schädel von Individuen aus Enewetak, einem Atoll der Marshallinseln.
Die Überreste waren zuvor im Museum für Völkerkunde in Hamburg und in der Anatomisch-anthropologischen Sammlung der Universität Freiburg untergebracht. Paul Merz, ein deutscher Kolonialbeamter, hatte die Schädel im Jahr 1913 an das Hamburger Museum verkauft. Unklar bleibt, wie die menschlichen Überreste in den Besitz von Merz gelangten. Diese Rückgabe steht im Kontext der deutschen Kolonialadministration, die ab 1911 die Marshallinseln wirtschaftlich auszubeuten versuchte. Über die Jahre wurden insgesamt über 1.300 Gebeine aus ehemaligen Kolonien in Deutschland gesammelt.
Forschung und Verantwortung
Die Rückgabe der menschlichen Überreste ist Teil eines Forschungsprojekts unterschiedlichster Provenienzen, das seit mehreren Jahren durchgeführt wird. Die Universität Göttingen führt dieses Projekt mit dem Titel „Menschliche Überreste aus kolonialen Kontexten“ durch, das sich mit der kritischen Aufarbeitung der Geschichte der Sammlungen beschäftigt. Laut Informationen von NDR umfasst die Sammlung mehr als 1.300 Gebeine, von denen bereits etwa 50 zurückgegeben wurden, darunter auch an andere Länder wie Palau.
Falko Mohrs, der niedersächsische Minister für Wissenschaft und Kultur, betonte die Relevanz dieser Rückgabe im Kontext des kolonialen Erbes. Auch Baden-Württembergs Wissenschaftsministerin Petra Olschowski hob die Verantwortung der Universitäten hervor, das vergangene Unrecht kritisch aufzuarbeiten. Die Universität Freiburg hat zudem bekannt gegeben, dass an ihrer Institution nicht nur die Gebeine der Marshallinseln, sondern auch weitere Überreste aus verschiedenen Ländern restituiert wurden, um Gerechtigkeit und Heilung für die betroffenen Kulturen zu erreichen.
Rückgabe als Teil eines größeren Trends
Die Diskussion um die Rückgabe von Kulturgütern ist nicht neu. Laut Wikipedia begannen diese Debatten bereits in den 1970er Jahren. Insbesondere die Unabhängigkeit ehemaliger Kolonien führte zu einer verstärkten Forderung nach Restitution. Die Rückgabe von Kulturgütern wie menschlichen Überresten wird zunehmend als elementar für das kulturelle Selbstbewusstsein in den Herkunftsländern angesehen.
In den letzten Jahren haben zahlreiche Institutionen in Europa und Nordamerika begonnen, ihre Bestände aufzuarbeiten und Kulturgüter zurückzugeben. Deutschland hat in dieser Hinsicht bereits mehrere Rückgaben unternommen, darunter an Namibia, Australien und seit 2019 auch an die Marshallinseln. Die anhaltenden Diskussionen über Restitutionen sind dabei oft von unterschiedlichen Perspektiven geprägt und behandeln nicht nur juristische und politische, sondern auch moralische Aspekte.
Insgesamt zeigt die Rückgabe der Schädel an die Marshallinseln, wie wichtig es ist, die Geschichte kolonialen Unrechts anzuerkennen und aktiv daran zu arbeiten, verlorene Würde wiederherzustellen. Die Universitäten Göttingen und Freiburg stehen mit ihrem Engagement beispielhaft für eine kritische Auseinandersetzung mit der kolonialen Vergangenheit und der Hoffnung auf eine gerechte Zukunft.