
Forschende der Universitäten Mainz und Paris Cité haben in einer aktuellen Studie die physikalischen Eigenschaften der Wachsschicht von Insekten untersucht. Diese Schicht, bestehend aus kutikulären Kohlenwasserstoffen (CHCs), spielt eine entscheidende Rolle beim Schutz vor Austrocknung und der chemischen Kommunikation unter Insekten. Die Studie, die in der renommierten Fachzeitschrift Journal of the Royal Society Interface veröffentlicht wurde, zeigt erstmalig, dass die flüssige Phase dieser Wachsschicht zwei unterschiedliche Viskositäten aufweist.
Besonders interessant ist, dass der dickflüssige Teil der Wachsschicht Honig ähnelt, während die dünnflüssige Phase wie Olivenöl wirkt. Dieses komplexe Phasenverhalten ermöglicht es Insekten, gleichzeitig ihre chemischen Kommunikationsbedürfnisse zu erfüllen und sich vor Wasserverlust zu schützen. Dies ist besonders relevant, da der Insektenbestand global abnimmt, unter anderem aufgrund der Erderwärmung und den damit verbundenen hohen Temperaturen, die den Flüssigkeitsverlust über den Chitinpanzer der Tiere erhöhen.
Physikalische Eigenschaften und ihre Bedeutung
Die Forschenden untersuchten die Viskosität der Wachsschicht in Abhängigkeit von der Temperatur. Bei Ameisen, die bei 28 Grad Celsius gehalten wurden, zeigte sich eine höhere Viskosität im Vergleich zu Proben bei 20 Grad. Diese Temperaturabhängigkeit unterstreicht die Fähigkeit der Insekten, die chemische Zusammensetzung ihrer Wachsschicht anzupassen, um sich effektiv gegen Austrocknung zu wappnen. Eine zähflüssigere Schicht bietet besseren Schutz, während eine dünnflüssige Zusammensetzung für die chemische Kommunikation von Bedeutung ist.
Die Viskosität der Wachsschicht wurde in der Studie mit der von Motorenöl verglichen. Dies ist bemerkenswert, da das Phänomen bei elf verschiedenen Ameisenarten beobachtet wurde, die jeweils unterschiedliche Substanzgemische in ihren CHCs aufweisen. Der Zusammenhang zwischen der chemischen Zusammensetzung der Wachsschicht und deren Viskosität könnte für die Erkennung von Nestgenossen und die Feindabwehr ausschlaggebend sein.
Wachsschicht als evolutionärer Faktor
Die Wachsschicht hat keinen festen Schmelzpunkt, sondern einen flüssigen Schmelzbereich von etwa -45 °C bis +30 bis 40 °C. Dieses Phänomen, das durch dynamische Differenzkalorimetrie untersucht wurde, zeigt, dass die CHCs in einem Flüssig-Fest-Gemisch vorliegen. Dieser Zustand ist entscheidend für ihre Funktionen, da er sowohl den Austrocknungsschutz sicherstellt als auch eine effektive Kommunikation zwischen den Insekten ermöglicht.
Die Ergebnisse dieser interdisziplinären Forschung eröffnen neue Perspektiven für das Verständnis der biologischen Funktionen der Wachsschicht. Angesichts des spürbaren Insektensterbens, auch als Folge des Klimawandels, ist das Verständnis dieser Mechanismen von zentraler Bedeutung. Künftige Studien werden sich darauf konzentrieren, die Viskosität und das Schmelzverhalten der CHCs bei unterschiedlichen Temperaturen über einen Zeitraum von drei Wochen weiter zu untersuchen, um die evolutionären Auswirkungen besser zu erfassen.
Insgesamt verdeutlichen die neuen Erkenntnisse, dass der Schutz vor Austrocknung und die Bedürfnisse der Kommunikation in einem dynamischen Gleichgewicht stehen, das für das Überleben der Ameisen essentiell ist. Weitere Untersuchungen sind notwendig, um die Anpassungsmechanismen der Insekten in Zeiten des Wandels konsequent zu analysieren.