
Forschungsteams der Universität Hohenheim und des RIKEN Centers in Japan haben eine umfassende Untersuchung zu mechanischen Spannungen in Fliegenembryonen durchgeführt. Diese Spannungen entstehen während der Embryonalentwicklung, wenn Zellen und Gewebe aufeinanderstoßen. Sie können gravierende Auswirkungen auf die Entwicklung der Tiere haben. In dieser Studie wurden zwei unterschiedliche Strategien zur Kontrolle dieser Spannungen beobachtet, die bei verschiedenen Fliegenarten hervorgebracht werden.
Ein zentraler Fokus der Forschung liegt auf der Gastrulation, einem entscheidenden Entwicklungsabschnitt, in dem komplexe Gewebe aus einfachen Zellschichten entstehen. Mechanische Spannungen können fatale Verformungen und Fehlbildungen hervorrufen, die die Morphogenese gefährden. Speziell bei Taufliegen (Drosophila melanogaster) wurde festgestellt, dass eine temporäre Kopffurche als mechanisches Auffangbecken fungiert. Bei einem Fehlverhalten in der Bildung dieser Struktur treten schwerwiegende Fehlbildungen im Kopf und Nervensystem auf.
Unterschiedliche Strategien der Spannungsbewältigung
Im Gegensatz dazu haben andere Fliegenarten, wie zum Beispiel Chironomus riparius, eine andere Strategie entwickelt: Ihre Zellen teilen sich schräg oder senkrecht, wodurch der Druck auf die Gewebestruktur verringert wird. Durch experimentelle Veränderungen der Orientierung der Zellteilungen kann eine normale Embryonalentwicklung gewährleistet werden. Diese Ergebnisse wurden unabhängig von einer Arbeitsgruppe am Max-Planck-Institut in Dresden bestätigt und zeigen, dass die Evolution verschiedene Lösungen für das Problem mechanischer Spannungen hervorgebracht hat.
Die Bedeutung mechanischer Spannungen könnte weitreichend sein. Sie spielen möglicherweise eine Schlüsselrolle in der Entstehung neuer Körperbaupläne im Verlauf der Evolution. Die Forschungsergebnisse wurden in der renommierten Fachzeitschrift Nature veröffentlicht und geben tiefe Einblicke in die biophysikalischen Mechanismen, die in der Embryonalentwicklung wirken.
Gastrulation und Morphogenese
Die Gastrulation, ein morphogenetischer Prozess, bringt die räumliche Organisation der Blastomeren in die drei Keimblätter (Ektoderm, Mesoderm, Endoderm) hervor. Dieser Prozess ist charakterisiert durch die inneren Umstrukturierungen bestimmter Zellen aus der äußeren Schicht, was durch Änderungen in der Zellform, insbesondere der apicalen Kontraktion, erreicht wird. Bei Drosophila erfolgt die Invagination von Mesoderm und Endoderm als kollektive Gewebeeinheiten, nicht als individuelle Zellen.
Ein Schlüssel zum Verständnis dieser Prozesse ist die Rolle spezifischer Signalkomponenten wie dem Morphogen Spätzle, das einen Gradienten in der transkriptionalen Aktivität etabliert. Dies führt zur Expression von Folded gastrulation und T48. Diese Faktoren sind entscheidend für die apicalen Formänderungen, die für die Gastrulation benötigt werden. Aktine und Myosin 2 sind die primären Proteine, die die kontraktilen Eigenschaften der Zellen steuern und damit die Gewebesculpting-Funktion fördern.
Eine weitere interessante Entdeckung ist, dass mechanisches Feedback die Zellform und das Verhalten während der Gastrulation beeinflusst. Dies geschieht, indem die Spannung die Organisation und Kontraktionskraft von Myosin 2 steuert. Solche Dynamiken sind entscheidend für die Aufrechterhaltung der Gewebeintegrität und die Förderung koordinierter morphogenetischer Bewegungen.