
Eine neue Studie von Tom Clegg und Thilo Gross hat die komplexen Mechanismen untersucht, die die mikrobielle Vielfalt formen. Die Forschungsarbeiten am Helmholtz-Institut für Funktionelle Marine Biodiversität an der Universität Oldenburg zeigen, dass mikrobielle Ökosysteme Kipppunkte aufweisen. Bei diesen Kipppunkten können bereits kleine Störungen zu einem Zusammenbruch der Gemeinschaften führen. Die Wissenschaftler kommen zu dem Schluss, dass das Überleben von Mikroben stark von einem Netz gegenseitiger Abhängigkeiten abhängt, das durch minimalste Veränderungen destabilisiert werden kann.
Die Ergebnisse, die in der renommierten Fachzeitschrift PNAS veröffentlicht wurden, verdeutlichen das fragile Gleichgewicht mikrobieller Gemeinschaften. Diese Gemeinschaften funktionieren wie ein Netzwerk, in dem verschiedene Populationen über den Austausch von Stoffwechselprodukten miteinander verbunden sind. Der Verlust einzelner Populationen kann das gesamte Netzwerk gefährden und zu einem abrupten Rückgang der Vielfalt führen. Einen solchen Kollaps bezeichnet man als Kipppunkt, vergleichbar mit einem Blackout in einem Stromnetz.
Die Herausforderungen im Labor
Ein zentrales Ergebnis der Studie ist die Herausforderung, Mikrobengemeinschaften im Labor zu kultivieren. Viele Mikroorganismen sterben während des Kultivierungsprozesses ab, was verhindert, dass wichtige Mitglieder und damit notwendige Stoffwechselprodukte in den Laborversuchen erfasst werden. Dies stellt eine Störung dar, die das natürliche Zusammenspiel der Mikroben beeinträchtigt. In den laborinternen, ressourcenreichen Kulturen kann es ebenfalls zu einem Zusammenbruch der Gemeinschaften kommen, wenn ihre wechselseitigen Beziehungen gestört werden. Clegg und Gross warnen, dass sich solche Systeme möglicherweise nicht regenerieren, selbst wenn alle notwendigen Ressourcen wieder verfügbar sind.
Die Implikationen dieser Forschung sind enorm, vor allem in Anbetracht der Rolle, die Mikroben für die Gesundheit von Mensch und Umwelt spielen. Auch wenn die Laborbedingungen nicht die natürlichen Lebensräume wiederspiegeln, sind die Erkenntnisse essenziell für unser Verständnis der mikrobiellen Vielfalt und deren Bedeutung für die Ökosysteme.
Umweltveränderungen und ihre Folgen
Parallel zu diesen Arbeiten untersucht ein Forschungsteam des Exzellenzclusters „Balance of the Microverse“ an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, wie Umweltveränderungen die mikrobiellen Gemeinschaften beeinflussen, die für die Gesundheit von Mensch und Natur entscheidend sind. Veränderungen in Essgewohnheiten und intensive landwirtschaftliche Praktiken können nicht nur die Darmflora, sondern auch den Kohlenstoffkreislauf stören.
In ihrer Studie wurden DNA-Sequenzen von über 1.500 mikrobiellen Gemeinschaften aus verschiedenen Lebensräumen analysiert. Die Wissenschaftler zielten darauf ab, die Robustheit oder Empfindlichkeit dieser Mikroorganismen gegenüber den genannten Veränderungen zu untersuchen. Eine bemerkenswerte Feststellung der Studie ist, dass Bakterienarten, die weit verbreitet sind, größere Genome besitzen. Dies könnte erklären, warum sie in unterschiedlichen Umgebungen überlebensfähig sind.
Diese Forschung ist nicht nur innovativ, sondern auch bisher einzigartig. Zum ersten Mal wurden Bakterien- und Pilzarten gemeinsam auf globaler Ebene auf ihre Anpassungsfähigkeit hin untersucht. Die Analyse aus einer Vielzahl an verschiedenen Biomen – Sequenzen stammen unter anderem aus Gewässer-, Wirt- und Bodenbiomen – hat neue Dimensionen für das Verständnis der Dynamiken mikrobieller Gemeinschaften eröffnet.
Fazitierend lässt sich sagen, dass sowohl die Studien von Clegg und Gross als auch die Analysen der Universität Jena die Notwendigkeit verstärken, die komplexen Wechselwirkungen in mikrobiellen Ökosystemen weiter zu erforschen. Ihre Erkenntnisse tragen erheblich zum Verständnis der Ökologie und der Evolution der Mikroben bei und unterstreichen die Bedeutung des Erhalts dieser Vielfalt in einer sich wandelnden Umwelt.
Für weitere Details zur Studie von Clegg und Gross besuchen Sie bitte UOL. Zusätzliche Informationen zur Untersuchung der Umweltveränderungen finden Sie auf der Website der Uni Jena sowie bei MDR.