
Mit einer Zuwendung von über 1,12 Millionen Euro durch die Volkswagenstiftung beginnt am 16. Juli 2025 ein neues Forschungsprojekt an der Freien Universität Berlin. Unter der Leitung von Prof. Dr. Peter Robin Hiesinger trägt das Vorhaben den Titel „The Information Content of Brain Wiring“ und wird ab Januar 2026 für fünf Jahre gefördert. Dieses Projekt zielt darauf ab, den Informationsgehalt biologischer Gehirnstrukturen, insbesondere des Fruchtfliegengehirns (Drosophila), quantitativ zu erfassen. Hiesinger hebt hervor, dass bislang nur künstliche neuronale Netzwerke in Bits quantifiziert werden können, was eine Wissenslücke im Verständnis von biologischen Netzwerken offenbart.
Das Forschungsteam plant, experimentelle Ansätze zu verfolgen, um untere Informationsgrenzen auf verschiedenen Beschreibungsebenen zu ermitteln. Ein wichtiger Schritt wird die Verwendung von Kompressionsalgorithmen sowie modellhafter Rekonstruktion auf Basis von Live-Bilddaten zur Analyse der Gehirnstruktur sein. Durch einen interdisziplinären Zugang wird eine Brücke zwischen biologischer und künstlicher Intelligenz geschlagen. Ziel ist es, neue Einsichten in die Neurobiologie zu gewinnen und die Diskussion über natürliche und künstliche Denkprozesse zu bereichern.
Interdisziplinäre Zusammenarbeit und Finanzierung
Das Projekt wird nicht nur durch die Volkswagenstiftung finanziert, sondern erhält zudem rund 400.000 Euro von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) für ein komplementäres Vorhaben. Das DFG-Projekt mit dem Titel „Ein bioinspirierter elektrotechnischer Ansatz zur Schaltkreisentwicklung“ kooperiert mit Partnern aus der Elektrotechnik. Diese beiden Projekte stärken die Forschungsstärke der Freien Universität Berlin in den Bereichen Biologie, Neurowissenschaften, Informatik und Elektrotechnik und sind Teil eines umfassenderen Forschungskonzepts, das sich mit der Aufklärung neuronaler Strukturen beschäftigt.
Eine der Grundlagen für das Forschungsprojekt ist das Connectom, das vom FlyWire Consortium rekonstruiert wurde. Das Connectom gehört zu einer sieben Tage alten adulten weiblichen Drosophila melanogaster und umfasst insgesamt 127.978 Neuronen sowie über 2,6 Millionen Schwellenverbindungen. Die neuesten Versionen des Datensatzes zeigen, dass die Synapsen algorithmisch erkannt wurden, wobei eine Vertrauensbewertung Anzeichen von Messgenauigkeit bietet. Neuronen wurden anhand ihrer Verbindungen in verschiedene Kategorien eingeordnet, die wichtige Erkenntnisse über deren Funktionalität im Gehirn liefern.
Einblicke in die Neurobiologie der Künstlichen Intelligenz
Im Rahmen der Dahlemer Wissenschaftsgespräche wird Prof. Dr. Robin Hiesinger am 15. Januar 2025 einen Vortrag mit dem Titel „Neurobiologie der Künstlichen Intelligenz“ halten. Künstlich intelligente Systeme wie ChatGPT gründen auf künstlichen neuronalen Netzwerken, und der Vortrag wird den Vergleich zwischen biologischen und künstlichen neuronalen Netzwerken thematisieren. Auch Fragen zur genetisch kodierten Entwicklung und deren Rolle für Intelligenz sollen erörtert werden.
Die Dahlemer Wissenschaftsgespräche bieten allen Interessierten die Möglichkeit, mehr über aktuelle Forschungsthemen zu erfahren. Die Veranstaltungen finden alle zwei Monate am ersten Mittwoch um 18 Uhr im Forschungsbau SupraFAB statt und sind kostenfrei. Hiesinger, Sprecher des DFG-Forschungskonsortiums FOR5289 (RobustCircuit.org) und Autor des Buches „The Self-Assembling Brain“ (Princeton University Press, 2021), strebt mit seinen Projekten an, nicht nur neue wissenschaftliche Erkenntnisse zu gewinnen, sondern auch nachhaltige Daten und Publikationen zur Verfügung zu stellen, um den Zugang zur Forschung zu erleichtern.
Zusammengefasst verspricht das einjährige Forschungsprojekt an der Freien Universität Berlin nicht nur tiefere Einblicke in das Fruchtfliegengehirn, sondern auch bedeutende Erkenntnisse für die Interaktion zwischen biologischen und künstlichen Systemen in der Neurobiologie.