
Die Pädagogische Hochschule Karlsruhe (PHKA) und die Universität von Cape Coast in Ghana haben ein innovatives Projekt ins Leben gerufen, das den Englischunterricht in Deutschland und Ghana dekolonisieren soll. Unter dem Titel „Eigenes Wissen hinterfragen: Ausbildung für Englisch-Lehrkräfte dekolonisieren“ verfolgt das Projekt das Ziel, traditionelle Bildungsansätze in der Fremdsprachendidaktik zu hinterfragen und zu reformieren. Die Initiative widmet sich der kritischen Auseinandersetzung mit Sprache und den damit verbundenen Machtstrukturen.
Im Rahmen des Projekts entwickeln Ghanaisch-deutsche Studierendentandems Lehrmaterialien und -konzepte, die bis Mitte Juli 2025 an mehreren Schulen in Deutschland erprobt werden. Dies umfasst unter anderem die Sophie-Scholl-Realschule Karlsruhe und die Schule am Stromberg in Illingen-Maulbronn. Ab September 2025 können die entwickelten Konzepte dann auch in mehreren Grundschulen in Ghana angewandt werden. Das Hauptaugenmerk liegt auf der dekolonialen Öffnung des Unterrichts und der Integration dekolonialer Wissensproduktionen.
Thematische Schwerpunkte des Projekts
Die Projektleiterin Prof. Dr. Isabel Martin an der PHKA betont die Bedeutung einer kritischen Reflexion sprachlicher Machtstrukturen. Lehrerin Samira El Bakezzi-Lang hebt außerdem die Notwendigkeit hervor, die deutsche Kolonialgeschichte im Kontext des Unterrichts sichtbar zu machen. Ein wichtiger Bestandteil ist auch die Förderung von Vielfalt im Klassenzimmer und die Entwicklung eines diskriminierungsfreien, rassismuskritischen Bildungsansatzes. Die entwickelten Lehrmaterialien und Konzepte resultieren aus dem Seminar „Dekolonialität in der Praxis“.
Ein zentrales Anliegen des Projekts ist es, die dominante Perspektive der englischen Sprache zu hinterfragen, die oft eurozentrische Bedeutungen transportiert. Die Kritik am aktuellen Bildungsplan Baden-Württemberg bezieht sich auf dessen Fokussierung auf Großbritannien, die USA und andere englischsprachige Länder als ausschließliche Zielkulturen. Das Projekt wird von der Engagement Global gGmbH im Rahmen des Programms „Arbeits- und Studienaufenthalte“ (ASA) gefördert.
Symbolische Kompetenz und rassismuskritische Ansätze
Die Bedeutung von symbolischer Kompetenz und machtkritischem Sprachbewusstsein wird in der Literatur- und Kulturdidaktik zunehmend hervorgehoben. Dieses Projekt greift aktuelle Entwicklungen auf, um einen Diskurs über eurozentrische Denkmuster zu eröffnen. Ziel ist es, Schüler:innen ein umfassendes Verständnis für die gesellschaftliche Wirkmacht der Sprache zu vermitteln, insbesondere im Hinblick auf gesellschaftliche Ungleichheiten.
Der Forschungsbedarf zur praktischen Umsetzung dieser Ansätze ist groß. Ein langfristig angelegtes Netzwerk widmet sich der empirischen Erforschung der Kompetenzentwicklung, insbesondere in Bezug auf Kinder- und Jugendliteratur zu rassismusrelevanten Themen. Diese Diskussion kommt zu einem Zeitpunkt, an dem die Auseinandersetzung mit Rassismus in der Pädagogik an Dringlichkeit zunimmt, denn der Begriff selbst hat in Deutschland eine bewegte Geschichte, wie Studien zeigen.
Die Entwicklung des Begriffs „Rassismus“ und die damit verbundene Forschung sind eng mit der deutschen Geschichte verknüpft. Der Begriff wurde erstmals 1933 von Magnus Hirschfeld verwendet und fand erst ab den späten 1960er Jahren breitere Anwendung im deutschen Diskurs. Während die Rassismusforschung lange Zeit rassistische Phänomene als externe Erscheinungen betrachtete, zeigt sich nun ein wachsendes Interesse an dessen Wurzeln in der deutschen Gesellschaft und in den Werken klassischer Philosophen wie Kant und Hegel.
In Anbetracht der aktuellen Debatten um rassismusrelevante Themen wird das Projekt an der PHKA und der Universität von Cape Coast als Vorreiter für eine notwendige Revolution in der Sprachdidaktik angesehen. Es bringt Studierende in einen Dialog über Sprache, Macht und Identität und eröffnet neue Perspektiven für den Englischunterricht.
Das Projekt, das in Zusammenarbeit zwischen der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe und der Universität Potsdam durchgeführt wird, ist ein bedeutender Schritt hin zu einem inklusiveren und kritischen Bildungsansatz im globalen Kontext. Darüber hinaus beleuchtet es die komplexe Geschichte und Theorie von Rassismus, die in einem Artikel auf Academia.edu ausführlich diskutiert wird.