
Am 5. Juni 2025 wurde bekannt, dass PD Dr. Renate Reiter im Mai die Venia Legendi für Politikwissenschaft erhalten hat. Dies markiert einen bedeutenden Meilenstein in ihrer akademischen Laufbahn an der FernUniversität in Hagen, wo sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Lehrgebiet Politikfeldanalyse & Umweltpolitik tätig ist. Ihr Forschungsschwerpunkt liegt insbesondere auf Sozial- und Gesundheitspolitik, wobei sie einen speziellen Fokus auf den deutsch-französischen Vergleich auf kommunaler Ebene legt.
Die neue Bundesregierung hat derzeit das zentrale Anliegen, die Grundsicherung in Deutschland zu reformieren und das Bürgergeld im Sinne von „Fördern und Fordern“ zu verschärfen. Diese Maßnahmen beinhalten eine Erhöhung der Pflichten und Sanktionen für Arbeitssuchende. Reiter hebt hervor, dass die Verbindung zwischen finanziellen Sozialleistungen und sozialen Dienstleistungen an Bedeutung zunimmt. Sie beschreibt das Bürgergeld als eine finanzielle Sozialleistung, die staatliche Zahlungen ohne direkte Gegenleistung bietet.
Reform der Grundsicherung in Deutschland
Das Bürgergeld, das seit 2023 das Arbeitslosengeld II (Hartz IV) ersetzt, hat das Ziel, ein menschenwürdiges Existenzminimum zu sichern. Die Leistungen umfassen einen monatlichen Regelsatz sowie Kosten für Unterkunft und Heizung. Ab 2024 beträgt der Regelsatz für Alleinstehende 563 Euro, während Partner in einer Bedarfsgemeinschaft 506 Euro erhalten können, ergänzt durch zusätzliche Sätze für Kinder. Im europäischen Vergleich liegt Deutschland mit diesen Leistungen auf einem vergleichsweise hohen Niveau, was unter anderem auch in einem Report von Bürgergeld erläutert wird.
Die Tabelle unten verdeutlicht die Unterschiede in der Grundsicherung für Alleinstehende in Europa (2024):
Land | Monatliche Grundsicherung | Bemerkungen |
---|---|---|
Deutschland | 563 Euro + Unterkunft | Keine Maximalgrenze für Wohnkosten |
Österreich | Bis 1.156 Euro | Abhängig von Bundesland und individueller Situation |
Frankreich | 599 Euro | Zuschläge für Kinder und Alleinerziehende |
Dänemark | Bis 2.000 Euro | Strenge Voraussetzungen, Wohnkosten enthalten |
Niederlande | 965 Euro | Strenge Vermögensgrenzen, Mindestlohnorientierung |
Spanien | 726 Euro | Wohngeld möglich, regionale Unterschiede |
Schweden | 300 Euro + Wohngeld | Geringe Grundsicherung, Zuschläge für Unterkunft |
Polen | 160 Euro | Sehr niedrige Grundsicherung |
Italien | 0 Euro | Grundsicherung abgeschafft (ab 2024) |
Forschungsthemen und zukünftige Projekte
Renate Reiter hat sich während ihrer Forschung auch mit dem Politikwandel im Wohlfahrtsstaat beschäftigt. Ihr Habilitationsthema befasst sich mit der Politik sozialer Dienstleistungen im deutsch-französischen Vergleich. Deutschland und Frankreich teilen ein ähnliches Bismarck’sches Sozialstaatsmodell, weisen jedoch Unterschiede in ihren Regierungssystemen auf, die Einfluss auf die Sozialpolitik nehmen.
Reiter promovierte 2009 an der Universität Osnabrück und hat seitdem mehrere Forschungsprojekte geleitet, darunter zur psychiatrischen und psychosozialen Versorgung von Geflüchteten und der Rolle von Kommunen für den sozialen und politischen Zusammenhalt in Europa. Aktuell plant sie, die Auswirkungen von Rechtspopulismus auf den europäischen Zusammenhalt zu untersuchen.
Ein besonderes Augenmerk liegt auf der Modernisierung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD) auf kommunaler Ebene, gefördert von der Hans-Böckler-Stiftung. Zusammen mit weiteren Forschungen zu Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) in kommunaler Trägerschaft, unterstützt durch den Innovationsfonds des G-BA, wird Reiters Arbeit zunehmend relevant. In Deutschland gibt es derzeit rund 4900 MVZ, von denen lediglich etwa 40 in kommunaler Trägerschaft geführt werden.
Die sozialen Rahmenbedingungen innerhalb der EU sind durch die Grenzen der sozialen Kompetenzen der Union sowie die Verantwortung der nationalen Regierungen geprägt. Diese Aspekte sind entscheidend für die Umsetzung effektiver Sozialpolitiken in den Mitgliedstaaten. Die Antwort auf die Herausforderungen in der Sozialpolitik ist oft von landesspezifischen Regelungen und unterschiedlichen Zugangsbedingungen geprägt, was die Arbeit von Wissenschaftlerinnen wie Renate Reiter umso bedeutender macht. Die EU hat zwar Maßnahmen zur Koordination sozialer Politiken entwickelt, doch bleibt die eigentliche Durchführung nationalen Instanzen überlassen, wie im Artikel des EU-Parlaments dargelegt wird.