
Im deutschen Fußball ist ein besorgniserregendes Phänomen aufgetreten: Rassistische Stereotype haben einen nachweisbaren Einfluss auf die Wahrnehmung von Spielerpositionen. Eine jüngst durchgeführte Studie der Universität Osnabrück, veröffentlicht im Journal Ethnic and Racial Studies, zeigt, dass die Zuschreibung von Fähigkeiten in Abhängigkeit von der Hautfarbe stark verzerrt ist. Federführend an dieser Untersuchung waren Marjorie Berns, Dr. Luisa Liekefett und Prof. Dr. Julia Becker von der Universität Osnabrück sowie Lara Kronenbitter und Tina Nobis von der Universität Wuppertal. Die Studie untersucht das Konzept des sogenannten „Racist Stacking“ und ergab, dass weiße Spieler überproportional häufig in zentralen Positionen wie Torwart besetzt werden, während schwarze Spieler vermehrt in körperlich beanspruchenden Positionen wie der Sturm- oder Außenbahn eingesetzt werden, wie uni-osnabrueck.de berichtet.
In einer experimentellen Studie wurden Probanden mit Fotos von Spielern konfrontiert, um deren Eignung für verschiedene Positionen zu bewerten. Die Ergebnisse waren eindeutig: Schwarze Spieler wurden für athletischere Positionen als geeigneter eingeschätzt, während weiße Spieler für die Rolle des Torwarts bevorzugt wurden. Solche Einschätzungen ändern sich jedoch, sobald objektive Leistungsdaten zur Verfügung stehen – was die Wirksamkeit rassistischer Stereotype unterstreicht, wenn konkrete Informationen fehlen.
Rassistische Zuschreibungen im System
Zusätzliche Erkenntnisse stammen aus einer Pilotstudie des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM), die die Überrepräsentation weißer Spieler in Positionen untersucht, die mit Spielintelligenz und Führungsqualität assoziiert werden. Diese Studie deckt auch auf, dass schwarze Akteure oft in Positionen vertreten sind, die stark mit körperlicher Athletik und Aggressivität verbunden sind. Die Ergebnisse betonen die Verästelungen des Racist Stacking, das sich auch in den Führungsetagen der Bundesligaklubs widerspiegelt, wo nahezu ausschließlich weiße Männer anzutreffen sind, wie dezim-institut.de zusammenfasst.
Darüber hinaus zeigt ein bericht des Berliner Instituts für Integrations- und Migrationsforschung, dass in der Bundesliga saison 2020/21 kein schwarzer Torwart und 20,6 % der Spieler schwarz waren, was die Diskrepanz zwischen Spielern und deren Positionen verdeutlicht. Der Handlungsbedarf ist klar erkennbar, wie auch der DFB in seiner Anti-Rassismus-Kampagne „Fußballzeit ist die beste Zeit gegen Rassismus“ verdeutlicht, die nicht nur die professionelle, sondern auch die lokale Amateurfußballwelt ansprechen möchte, wie bpb.de anmerkt.
Der notwendige Veränderungsprozess
Rassismus im Fußball ist ein vielschichtiges Problem. Prominente Stimmen wie Jude Bellingham haben Frustration über unzureichendes Engagement der Verbände gegen Diskriminierung geäußert. Vorfälle rassistischer Beschimpfungen, wie die von Vinícius Júnior, der nicht nur seine Leidenschaft für den Sport verloren hat, sondern auch als Symbol für den Widerstand gegen Rassismus auftritt, belegen die Dringlichkeit der Problematik. In Europa hat Kick It Out beispielsweise von einem 65%igen Anstieg rassistischer Vorfälle berichtet.
Expertinnen und Experten fordern nicht nur strengere Maßnahmen gegen Rassismus, sondern auch die Schaffung von Quoten zur Erhöhung der Repräsentation von ethnischen Minderheiten in Entscheidungsstrukturen. Die ungleiche Verteilung der Macht im Fußball, die sich sowohl in den Stadien als auch in den Führungsräumen abbildet, muss hinterfragt werden. Rassismus zeigt sich oft in sowohl expliziten als auch impliziten Formen, während strukturelle Diskriminierung nach wie vor existiert.
Die Ergebnisse dieser Studien und Berichte zeigen, dass es an der Zeit ist, die Strukturen des Fußballs zu hinterfragen und einen echten Wandel zu initiieren. Nur durch transparente Leistungsbewertungen, Sensibilisierung und das offene Ansprechen von Rassismus im Fußball kann eine Verbesserung der aktuellen Situation erzielt werden.