
Die Diskussion um reproduktive Rechte steht weltweit unter Druck. Dies wurde erneut während der ersten Tagung des Forschungsnetzwerks ReproGerecht deutlich, die am 1. und 2. September 2025 an der Bucerius Law School stattgefunden hat. Die Tagung trug den Titel „Reproduktive Selbstbestimmung im gesellschaftlichen Wandel: Interdisziplinäre Perspektiven und aktuelle Herausforderungen“ und versammelte über 30 Forscher:innen aus 28 Universitäten und Forschungseinrichtungen. Zentrale Fragestellung war die Umsetzung reproduktiver Rechte im Spannungsfeld zwischen individuellen Freiheitsansprüchen und den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Laut der UN ist der Zugang zu reproduktiven Rechten in vielen Ländern, auch in Deutschland, eingeschränkt, was vor allem Frauen sowie marginalisierte Gruppen betrifft. Dies zeigt sich in der Berichterstattung des Verfassungsblog.
Die Gründerinnen und Co-Leiterinnen des Forschungsnetzwerks, Prof. Dr. Henrike von Scheliha (Bucerius Law School), Prof. Dr. Anne-Kristin Kuhnt (Universität Rostock) und Prof. Dr. Dana-Sophia Valentiner (Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr in Hamburg), setzten sich in zahlreichen Diskussionsrunden mit Themen wie der rechtlichen Absicherung reproduktiver Rechte als Menschenrechte, strukturellen Ungleichheiten beim Zugang zu reproduktionsmedizinischer Versorgung sowie der Rolle sozialer und ökonomischer Voraussetzungen für reproduktive Selbstbestimmung auseinander. Diese Diskussionen sind besonders relevant, da Untersuchungen zeigen, dass 44 % aller Frauen und Mädchen weltweit keine Kontrolle über ihre sexuelle Gesundheit und reproduktive Gesundheitsversorgung haben, wie es auf bpb.de dargestellt wird.
Strukturelle Ungleichheiten und ihre Auswirkungen
Die Tagung war ein Forum für den Austausch interdisziplinärer Perspektiven zur reproduktiven Gerechtigkeit. Der Zugang zu reproduktionsmedizinischen Verfahren ist in Deutschland stark eingeschränkt, vor allem für queere Paare. Schwangerschaftsabbrüche sind durch das Strafrecht geregelt und kriminalisiert, was zu einer reproduktiven Fremdbestimmung führt. Die Forderung nach einer Entkriminalisierung wird lautstark erhoben, doch es fehlt der politische Wille zur Reform. Dies verstärkt die strukturellen Barrieren, die reproduktive Selbstbestimmung behindern.
Darüber hinaus zeigt die ELSA-Studie, dass die Versorgungslage bei ungewollten Schwangerschaften in Deutschland prekär ist, was psychosoziale Belastungen für betroffene Frauen zur Folge hat. Der Zugang zu notwendigen Informationen und medizinischen Angeboten wird durch Stigmatisierung und sozialer Ungleichheit erschwert. Die gesetzliche Regelung zur Schwangerschaftsabbruch und die damit verbundenen gesellschaftlichen Normen beeinflussen nicht nur die rechtliche Lage, sondern auch das persönliche Entscheidungsverhalten zahlreicher Betroffener.
Der globale Kontext reproduktiver Rechte
Auf globaler Ebene sind reproduktive Rechte weiterhin in einer Krise. Politische Maßnahmen zur Familienplanung stehen unter Druck, und der Zugang zu Verhütungsmitteln wird häufig eingeschränkt. Untersuchungen zeigen, dass diese Einschränkungen oft zu gesundheitlichen Risiken für Frauen führen. Reproduktive Selbstbestimmung als Teil der individuellen Freiheit und sozialen Gerechtigkeit wird in vielen Ländern, auch in Deutschland, nicht ausreichend gefördert.
Das Konzept der reproduktiven Gesundheit, basierend auf dem Gesundheitsbegriff der WHO, umfasst gesundheitliche, soziale und psychische Dimensionen. Die Aufarbeitung historischer Gesetze, die beispielsweise gegen Verhütungsmittel gerichtet waren, zeigt, wie stark politische Vorstellungen über Familie und Geschlecht die reproduktive Gesundheit beeinflussen. Um nachhaltige Veränderungen zu bewirken, ist ein Paradigmenwechsel notwendig, was den Zugang zu Verhütungsmitteln und Schwangerschaftsabbrüchen betrifft.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Tagung des Forschungsnetzwerks ReproGerecht nicht nur aktuelle Herausforderungen aufzeigt, sondern auch einen wichtigen Beitrag zur Stärkung reproduktiver Rechte und Gerechtigkeit leistet. Die Relevanz interdisziplinärer Zusammenarbeit in diesen Fragestellungen kann nicht genug betont werden, um die Bedingungen für reproduktive Gesundheit nachhaltig zu verbessern.