
Ein Forschungsteam der Universität Münster hat mit einem vierjährigen Projekt eine detaillierte Untersuchung der Dynamiken von Radikalisierung und Ressentiments unter Muslimen in Deutschland angestoßen. Diese Studie zielt darauf ab, die Vernetzung von emotionalen Kränkungen und Integrationsthemen zu verstehen und deren Einfluss auf die Entstehung von Radikalisierung zu analysieren. Bereits eine Umfrage unter 1.887 Muslimen zeigt, dass etwa 20% von ihnen Ressentiments empfinden, die potenziell radikalisierend wirken können.
Wichtig ist dabei die Warnung der Wissenschaftler, dass nicht jeder, der Ressentiments verspürt, automatisch radikal wird. Können jedoch negative Erfahrungen durch Diskriminierung oder soziale Isolation zum verfestigten Gefühl der Kränkung führen, wird dies als ein bekannter Nährboden für Radikalisierung identifiziert. Prof. Dr. Mouhanad Khorchide, einer der Forscher, fordert daher Maßnahmen zur Stärkung der gesellschaftlichen Zugehörigkeit von Muslimen, unter anderem durch einen Ausbau von Räumen für Anerkennung und einen stärkeren islamischen Religionsunterricht in Schulen.
Details zur Methodik
Das Forschungsteam hat über 160 qualitative Interviews in türkisch- und arabischstämmigen Milieus durchgeführt. Diese umfassende Methodik kombiniert quantitative Studien mit qualitativen Analysen, um soziale, integrationsspezifische und religiöse Faktoren zu erfassen. Die Mehrheit der Befragten zeigt differenzierte Reaktionen auf Diskriminierungs- und Kränkungserfahrungen, was die Komplexität ihrer Emotionen unterstreicht.
Die Ergebnisse der Studie zeichnen ein differenziertes Bild: Muslime in Deutschland zeigen sowohl Zufriedenheit als auch Unzufriedenheit mit ihrem Leben, wobei die Reaktionen auf Diskriminierung oft von Gelassenheit geprägt sind. Doch bei stellvertretenden Diskriminierungsnarrativen, wie sie beispielsweise eine 18-jährige Frau namens Lina erlebt, ist weniger Gelassenheit zu beobachten. Lina, die aufgrund ihres Kopftuchs diskriminiert wird, findet sich oft in der wachsenden Minderheitsidentität wieder. Ihre Erfahrungen im Alltag verdeutlichen die Probleme, mit denen viele junge Muslime konfrontiert sind.
Ressentiment und Radikalisierung
In einem weiteren Kontext erläutert die Ressentiment-Projekt die Mechanismen hinter der Radikalisierung. Das Projekt analysiert, wie negative soziale Erfahrungen wie Diskriminierung zu einem verfestigten Gefühl des Ressentiments führen können, das sich eigenständig verselbständigt. Hierbei wird deutlich, dass dieser Prozess nicht linear ist, sondern von individuellen und gesellschaftlichen Faktoren geprägt wird.
Eine entscheidende Erkenntnis ist, dass Ressentiment einen zentralen Anteil an Radikalisierungsprozessen hat, sowohl gewaltsame als auch gewaltfreie Formen sind betroffen. Um dem entgegenzuwirken, werden empirisch fundierte Empfehlungen gegeben, wie etwa die Stärkung innerislamischer Kritikfähigkeit und die Förderung eines offenen, nicht-fundamentalistischen Glaubens.
Zusammenfassend wird auch auf den umfassenden Diskriminierungskontext hingewiesen, der in der Gesellschaft weit verbreitet ist und sich in den alltäglichen Erfahrungen von Muslimen widerspiegelt. So berichten viele von der ständigen Wahrnehmung als „Andere“, was die Identität in der Gesellschaft zusätzlich belastet. Dies zeigt sich exemplarisch am Beispiel der jungen Lina, deren Vorhaben, ihre Religion zu verstehen und sich in muslimischen Gemeinschaften zu verankern, gleichzeitig eine Suche nach Zugehörigkeit und Identität darstellt.
Die Ergebnisse der umfassenden Studie der Universität Münster sollen im August 2025 veröffentlicht werden und könnten entscheidende Impulse für die politische und gesellschaftliche Diskussion über Integration und Radikalisierung liefern. Ein weiterführender Kontext zu Diskriminierung und Radikalisierung ist zudem auf der Plattform der Bundeszentrale für politische Bildung zu finden.