
Am 9. März 2025 veröffentlichte die Universität Bielefeld wichtige Erkenntnisse über die Behandlung von Fettleibigkeit und die Rolle des Mikrobioms in der menschlichen Gesundheit. Im Rahmen des Projekts MATOMIC (Mathematical Modelling for Microbial Community Induced Metabolic Diseases) wird untersucht, wie Wechselwirkungen im Darm-Mikrobiom zur Bekämpfung von Adipositas beitragen können. Unter der Leitung von Professor Daniel Merkle, finanziert von der dänischen Novo Nordisk Stiftung, zielt die Forschung darauf ab, chemische Prozesse im Körper zu analysieren und mathematische Modelle zu nutzen, um diese Wechselwirkungen besser zu verstehen.
Das Mikrobiom spielt eine entscheidende Rolle für die Gesundheit. Veränderungen in der Zusammensetzung der Mikrobiota sind eng mit Fettleibigkeit verbunden. Ein innovativer Therapieansatz ist die Fäkaltransplantation (FMT), bei der das Mikrobiom von schlanken Personen auf fettleibige Empfänger übertragen wird. Bisherige Versuche scheiterten jedoch oft an Inkompatibilitäten zwischen den Mikrobiomen von Spendern und Empfängern.
Mathematische Modellierung und Individualität
Das MATOMIC-Projekt verwendet Methoden aus der Informatik, um chemische Reaktionen im Mikrobiom zu kartieren. Graphgrammatiken werden eingesetzt, um die chemischen Reaktionen als Netzwerke darzustellen. Aktuell werden acht bestimmte Bakterienspezies in einem Bioreaktor untersucht, um Erkenntnisse auf größere Systeme übertragen zu können. Ziel der Forschung ist es, personalisierte medizinische Ansätze zu entwickeln, da jedes Mikrobiom einzigartig ist.
Die Forschung macht auch Fortschritte in der Verbindung von Modellierungstechniken mit experimentellen Kultivierungen, was die Validierung der Ergebnisse ermöglicht. Merkle hebt die Bedeutung der interdisziplinären Zusammenarbeit hervor, die durch regelmäßige Meetings gefördert wird. Dazu gehören Partnerschaften mit Instituten wie dem Helmholtz-Institut in Leipzig und der Universität Wien. Zudem betont Merkle die Relevanz seines anderen Projekts, TACsy (Training Alliance for Computational Systems Chemistry), welches interdisziplinäre Ausbildung in Informatik, Chemie und maschinellem Lernen fördert.
Globale Herausforderungen der Adipositas
Weltweit sind etwa 2 Milliarden Menschen von starkem Übergewicht und Adipositas betroffen, was mittlerweile pandemische Ausmaße angenommen hat. Adipositas begünstigt chronische Erkrankungen wie Stoffwechsel-, Herz-Kreislauf- und neurodegenerative Erkrankungen. Der Mangel an langfristig erfolgreichen Strategien zur Gewichtsreduktion stellt ein großes Problem dar. Obgleich bariatrische Chirurgie die einzige derzeit genutzte Behandlung mit nachweisbarem langfristigem Erfolg ist, sind diese Verfahren kostspielig, invasiv und irreversibel.
Ein Forschungsteam unter der Leitung von Professor Wiebke Fenske vom Universitätsklinikum Bonn untersucht die positiven Effekte bariatrischer Operationen auf die Stoffwechselfunktion und die Körpergewichtsregulation. Die Studie zeigt, dass die Dezimierung der Darmbakterien durch Antibiotika nach einer Operation die positiven Effekte der Eingriffe fast komplett verhindert. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass die positiven Effekte bariatrischer Operationen über das Darmmikrobiom vermittelt werden.
Innovationen in der Mikrobiomforschung
In den letzten Jahren hat die Mikrobiomforschung enorm an Bedeutung gewonnen, was sich auch in der Anzahl der Publikationen widerspiegelt. 2008 gab es noch etwa 2.700 Ergebnisse für den Begriff „Mikrobiom“ auf PubMed; 2018 waren es bereits fast 50.000, und heute sind es über 144.000. Rund 37.000 neue Publikationen wurden allein im letzten Jahr veröffentlicht. Die Forschung zeigt, dass mikrobielle Therapien bei der Behandlung von Fettleibigkeit und in der personalisierten Medizin vielversprechend sein könnten.
Zusätzlich ist das Mikrobiom auch in anderen Bereichen von Interesse, etwa bei psychiatrischen Störungen, wo die bidirektionale Beeinflussung zwischen Darm und Gehirn erforscht wird. Störungen in diesem System können zu psychischen Erkrankungen führen, was zeigt, wie wichtig ein gesundes Mikrobiom nicht nur für den körperlichen, sondern auch für den psychischen Gesundheitszustand ist.
Zusammengefasst lässt sich sagen, dass die Kombination fortschrittlicher Forschung zur individuellen Mikrobiombearbeitung und neuen therapeutischen Ansätzen große Hoffnung auf eine wirksame Bekämpfung von Fettleibigkeit bietet. Die gewonnenen Erkenntnisse setzen Maßstäbe für die Zukunft der medizinischen Forschung und deren Anwendung in der Praxis.
Für weitere Informationen zu diesen Themen können Sie die Berichte der Universität Bielefeld, des Universitätsklinikums Bonn und der Mikrobiom-Initiative konsultieren.