
Die Fähigkeit, die atomare Struktur und Dynamik von Materie zu untersuchen, wird durch moderne Technologien immer weiter verbessert. Ein bahnbrechendes Beispiel ist die Entwicklung eines Attosekunden-Elektronenmikroskops durch Professor Peter Baum und sein Team an der Universität Konstanz. Dieses innovative Gerät kann elektrische Oszillationen von Licht sichtbar machen und ermöglicht ein tiefes Verständnis der Bewegungen von Atomen und Elektronen, die für Materialeigenschaften entscheidend sind. Die Messungen in Zeiträumen von Femtosekunden oder gar Attosekunden – das sind Billionstel und Milliardstel einer Sekunde – bieten neue Einblicke in das Verhalten der Materie, basierend auf der Anordnung von Atomen und Elektronen.
Bisherige Messmethoden waren in ihrer Wirksamkeit begrenzt und konnten nur Prozesse erfassen, die durch hochenergetische Laserimpulse angeregt wurden. Die von Baum und seinem Team geplante Neuentwicklung, die mit einem ERC Advanced Grant von 3,1 Millionen Euro gefördert wird, zielt darauf ab, diese Einschränkungen zu überwinden. Das Projekt wird fünf Jahre lang laufen und soll neuartige Elektronenmikroskope schaffen, die komplette Szenarien elektrisch, magnetisch oder anderweitig ausgelöster Vorgänge beobachten können. Durch den Einsatz gezielt erzeugter Sequenzen und räumlicher Muster von ultrakurzen Elektronenimpulsen wird eine umfassendere Beobachtung der atomaren Dynamik angestrebt.
Technologische Fortschritte in der Elektronenmikroskopie
Eine spezielle Herausforderung besteht darin, mikroskopische Strukturveränderungen auf kurzen Zeitskalen sichtbar zu machen. Das neue ultraschnelle Transmissionselektronenmikroskop (UTEM) wird eine Schlüsselrolle in dieser Forschung spielen. Es verwendet ein „Pump-Tast“-Verfahren mit zwei zeitlich verzögerten Laserpulsen. Der erste Laserpuls regt die Probe an, während der zweite einen Elektronenpuls erzeugt, der die Dynamik abbildet. Diese Technik ist in Deutschland einzigartig und kann die bisherige Methodik revolutionieren.
Das UTEM wird stark von den Fortschritten der letzten Jahrzehnte in der zeitaufgelösten Elektronenmikroskopie profitieren. Bereits seit den 1980er Jahren wird an der Verbesserung dieser Technologien gearbeitet, und bedeutende Fortschritte wurden durch Forschungsteams weltweit erzielt, wie etwa in Göttingen, wo seit 2010 neue Kamerasysteme entwickelt werden.
Ein neues Zeitalter der quantenmechanischen Messverfahren
Zusätzlich zu den Fortschritten im Bereich der Elektronenmikroskopie haben Forschende aus Göttingen und der Schweiz kürzlich einen Elektronenstrahl erfolgreich mit einem optischen Mikrochipsystem manipuliert. Diese Erkenntnisse eröffnen neue Möglichkeiten für quantenmechanische Messverfahren in der Elektronenmikroskopie. Durch die Verwendung integrierter photonikbasierter Systeme, die Licht präzise lenken können, werden die Wechselwirkungen zwischen freien Elektronen und Photonen verbessert. Dies ermöglicht es, den Elektronenstrahl durch das optische Nahfeld eines photonischen Mikroresonators zu leiten, was signifikante Änderungen in der Energie der Elektronen zur Folge hat.
Elektronen können dadurch mehrere hundert Photonen absorbieren, was die Anwendbarkeit der Elektronenstrahl-Manipulation in konventionellen Elektronenmikroskopen erweitert. Diese Kombination aus Elektronenmikroskopie und Photonik ist von großer Bedeutung für Fortschritte in Bereichen wie Materialwissenschaft, Strukturbiologie und Quantencomputing, da sie hochauflösende Abbildungen und Spektroskopie ermöglicht.
Insgesamt lässt sich sagen, dass die Verschiebung der Grenzen des Messbaren durch innovative Technologien wie das Attosekunden-Elektronenmikroskop von Baum und das UTEM sowie die Kombination mit hochpräziser Photonik eine neue Ära der Materialforschung einleitet, in der die dynamischen Prozesse auf atomarer Ebene immer klarer sichtbar werden.