
Forschende der Universität Hamburg und des DESY haben bahnbrechende Fortschritte in der Teilchenphysik erzielt, indem sie Hinweise auf das Teilchen Toponium gefunden haben. Toponium entsteht aus einem gebundenen Zustand zwischen einem Top-Quark und seinem Antiteilchen, dem Anti-Top-Quark. Diese Entdeckung könnte entscheidende neue Einblicke in die grundlegende Struktur aller Materie ermöglichen.
Der Vorstoß wurde möglich durch Signale, die in zwei Experimenten am Large Hadron Collider (LHC) des CERN identifiziert wurden. Das Top-Quark, das schwerste bekannte Elementarteilchen, zerfällt in weniger als einer Quadrillionstel Sekunde, was die Beobachtung von gebundenen Zuständen als äußerst herausfordernd angesehene Annahme unterstreicht. Bisher galt die Meinung, dass ein solcher Zustand mit dem Antiteilchen nicht nachweisbar sei, doch neue Daten bringen diese Sichtweise ins Wanken.
Entdeckung in Experimenten
Die Entdeckung von Toponium wurde unabhängig in den Experimenten CMS und ATLAS am LHC gemacht. Laut den Forschenden wurden hierbei eine größere Menge an Top-Quarks mit niedriger Bewegungsenergie gemessen, was die Bildung von Toponium ermöglicht. Erste Hinweise auf Toponium gab es bereits 2016 im CMS-Experiment, das mit zusätzlichen Daten aus den Jahren 2017 und 2018 verstärkt wurde. ATLAS konnte die Verbindung durch eigene Daten bestätigen, was die Relevanz der Ergebnisse weiter untermauert.
Laurids Jeppe, Doktorand an der Universität Hamburg, hebt hervor, dass die erreichte Präzision bei der Messung seltener Prozesse bemerkenswert ist. Die erreichten Ergebnisse wurden auf der Konferenz für Hochenergiephysik der Europäischen Physikalischen Gesellschaft durchgeführt.
Zusätzlich zeigen die Analysen des CMS-Experiments eine unerwartete Eigenschaft im Verhalten von Top-Quarks. Diese Beobachtung legt nahe, dass Top-Quarks kurzzeitig mit ihren Antiteilchen ein „quasi-gebundenen Zustand“ bilden, der als Toponium bezeichnet wird. Diese Entdeckung ist nicht nur überraschend, sondern könnte auch neue Partikel vorausdeuten, welche die Grenzen des derzeitigen Standardmodells der Teilchenphysik testen.
Messungen und ihre Bedeutung
Das CMS-Experiment hat die Produktionsquerschnitt für den Überschuss an Top-Quark-Antiquark-Paaren mit 8,8 Pikobarn (pb) ermittelt, wobei eine Unsicherheit von 1,3 pb besteht, und erreichte damit ein Sicherheitsniveau von „fünf Sigma“. Die ATLAS-Kollaboration stellte fest, dass sich die gleichen Effekte in den Gesamtdaten des LHC Run-2 bestätigen lassen, wobei der Produktionsquerschnitt auf 9,0±1,3 pb gemessen wurde und signifikante Modelle ausgeschlossen wurden, die die Bildung eines quasi-gebundenen Zustands ignorieren.
Ein alternatives Erklärungsmodell könnte die Existenz eines neuen Teilchens mit einer Masse nahe der doppelten Masse des Top-Quarks beinhalten. Um die Phänomene abschließend interpretieren zu können, ist jedoch eine präzise Modellierung des Verhaltens von Quarks und Gluonen in Hochenergie-Kollisionen erforderlich.
Die Entdeckung von Toponium würde nicht nur das Verständnis über Quarkonia erweitern, sondern auch die Forschungslandschaft auf neue Möglichkeiten der Untersuchung der starken Wechselwirkung lenken. Diese Formationen aus schweren Quark-Antiquark-Paarungen stellen bereits die vorherigen Entdeckungen von Charmeonien und Bottomonien in den 1970er-Jahren dar, und die laufende dritte Phase des LHC soll zusätzliche Daten liefern, um die Interaktionen von Top-Quark und Antiquark weiter zu erforschen.