
Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung des Exzellenzclusters „The Politics of Inequality“ hat in einer umfassenden Studie die politische Rhetorik innerhalb von acht Millionen Reden des US-Kongresses von 1879 bis 2022 unter die Lupe genommen. Die Ergebnisse zeigen einen besorgniserregenden Trend: Der Bezug auf Fakten in der politischen Rhetorik hat seit den 1970er-Jahren stetig abgenommen, erreicht mittlerweile jedoch einen historischen Tiefstand. In einem politischen Umfeld, geprägt von wachsender Polarisierung und ökonomischer Ungleichheit, ist dies ein Indiz für eine tiefgreifende Veränderung innerhalb der US-Politik. Besonders auffällig ist, dass der Rückgang des Faktenbezugs bei Republikanern seit 2021 steiler ausfiel, während gleichzeitig die gesetzgeberische Produktivität abnimmt.
Die Studie, veröffentlicht in der Fachzeitschrift Nature Human Behavior, nutzt computergestützte Analysemethoden zur Auswertung der Reden und zur Identifikation bedeutender Wörter. Von den Forschern wurden 49 Schlüsselwörter für faktenbasierte und 35 für intuitionsbasierte Sprache identifiziert. Ein neu entwickelter Indikator, die Kennzahl EMI („Evidence-Minus-Intuition“), quantifiziert das Verhältnis beider Rhetorikarten. Ein positiver EMI-Wert weist auf einen erhöhten Faktenbezug hin, während ein negativer Wert eine Neigung zu persönlichen Überzeugungen suggeriert.
Der Kontext aktueller US-Politik
Zwei Monate nach den letzten US-Wahlen treffen sich die Kongresskammern zur konstituierenden Sitzung. Ein zentraler Punkt auf der Tagesordnung wird die Wahl des neuen Vorsitzenden des Repräsentantenhauses sein, wobei der bisherige Vorsitzende Mike Johnson, unterstützt von Donald Trump, um eine Wiederwahl kämpft. Im Repräsentantenhaus stellen die Republikaner mit 220 von 435 Sitzen die Mehrheit, während der Senat 53 republikanische Senatoren zählte. Sollte es zu wiederholten Konflikten über Kabinettsbesetzungen kommen, die im Senat auf Widerstand stoßen könnten, könnte dies Trumps Agenda ab 2026 erheblich behindern. Hier vermischen sich die Schwierigkeiten eines sich polarisierenden politischen Klimas mit den Herausforderungen, die eine solche Mehrheit mit sich bringt.
Ein weiterer Aspekt der aktuellen politischen Lage ist das Budgetrecht des Repräsentantenhauses, das in Aussichtstehende Haushaltskonflikte und mögliche Shutdowns nach sich ziehen könnte. Untersuchungen durch den Kongress können hierbei eine Rolle spielen. Angesichts der wachsenden politischen Polarisation erscheinen Kompromisse zwischen den Lagern immer schwieriger, was die politischen Institutionen vor beachtliche Herausforderungen stellt. Trump könnte, um legislative Hürden zu umgehen, auch präsidentielle Dekrete einsetzen, um seine politischen Ziele zu verfolgen, obgleich solche Maßnahmen weniger nachhaltig sind und jederzeit von Nachfolgern zurückgenommen werden können.
Die Rolle digitaler Medien
In einer Zeit, in der soziale Medien Nachrichten- und Kommunikationskanäle revolutionieren, ist die Rolle, die sie in der politischen Kommunikation einnehmen, entscheidend. Soziale Medien ermöglichen es politischen und staatlichen Institutionen, unmittelbar mit einem Massenpublikum zu interagieren, und es entsteht ein hybrides Mediensystem. In einem solchen System ist es für Politiker, wie beispielsweise Trump, entscheidend, digitale Plattformen effektiv zu nutzen. Die Kampagne von Trump im Jahr 2016 stellte eine Wende in der Nutzung von Social Media durch politische Akteure dar, indem sie gezielte Werbung basierend auf Nutzerdaten einsetzte.
In Deutschland zeigen Umfragen, dass immer mehr Bürger*innen Nachrichten hauptsächlich online beziehen, was auch von den politischen Parteien nicht unbemerkt bleibt. Diese nehmen verstärkt direkten Kontakt zu jüngeren Wählerschichten über digitale Kanäle auf. Digitale Wahlkampfkommunikation wird mittlerweile als integraler Bestandteil der politischen Strategie angesehen, wobei Influencer-Marketing und Micromarketing zunehmend in den Vordergrund rücken. Diese Trends führen zu einer Reaktion der traditionellen Parteien, die um ihre Wählerstimmen kämpfen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die aktuelle politische Rhetorik im US-Kongress nicht nur von einer Abkehr von Fakten geprägt ist, sondern auch in einem breiteren Kontext von politischer Polarisierung, Veränderungen in der Wählerkommunikation und der wachsenden Rolle sozialer Medien betrachtet werden muss. Wo die einen Medien als Quelle der Desinformation und Fragmentierung sehen, können sie für andere als Plattformen für aktive politische Teilnahme und Mobilisierung dienen.