
Im Tanganjikasee in Afrika lebt ein faszinierender Fisch: der Buntbarsch Perissodus microlepis. Besonders bemerkenswert ist die asymmetrische Kopfform dieses Fischs, die nach links oder rechts verschoben ist. Fast alle Tiere zeigen eine bilaterale Symmetrie, doch dieser Buntbarsch, der fast ausschließlich von den Schuppen anderer Fische lebt, bricht mit dieser Regel. Seine Kopfform ist nicht nur ein interessantes biologisches Phänomen, sondern auch entscheidend für seine Jagdtechnik, da die Angriffsrichtung seines Mauls direkt von der Ausrichtung seines Kopfes abhängt. Diverse Studien, darunter Forschungen von Axel Meyer und seinem Team von der Universität Konstanz, haben nun die genetischen Grundlagen dieser Asymmetrie aufgedeckt. Die Ergebnisse werden in der Fachzeitschrift Science Advances veröffentlicht und beleuchten die komplexen Wechselwirkungen zwischen Genetik und Verhalten.
Die Genanalysen des Buntbarsches identifizierten 72 Genregionen, die mit seiner asymmetrischen Kopfform in Verbindung stehen. Es stellte sich heraus, dass die Asymmetrie nicht durch ein einzelnes Gen, sondern durch das Zusammenspiel vieler Gene bedingt ist. Diese genetischen Faktoren beeinflussen nicht nur die körperliche Form des Fisches, sondern auch dessen spezifisches Jagdverhalten. Das Forschungsteam führte umfangreiche Studien mit 102 Exemplaren durch und entdeckte, dass das Verhältnis von „Linksköpfen“ zu „Rechtsköpfen“ in der Population alle vier bis fünf Jahre schwankt und langfristig bei etwa 50:50 bleibt. Damit zeigt sich ein interessantes Phänomen der frequenzabhängigen Selektion: Keine der Varianten hat langfristig einen Vorteil.
Genetische Mechanismen und Verhaltenspräferenzen
Die Asymmetrie des Perissodus microlepis ist eine bemerkenswerte Evolutionäre Anpassung. Der Fisch hat ein einzigartiges Beuteschema entwickelt: Er beißt die Schuppen von anderen Fischen ab und greift dabei torpedoförmig von hinten an. Die Richtung, aus der er angreift, hängt von der seitlichen Verschiebung seines Mauls ab. Diese Anpassung hat evolutionäre Ursprünge, da die asymmetrische Kopfform und das dazugehörige Verhalten sich vermutlich gleichzeitig entwickelt haben und sich gegenseitig verstärken. Studien zeigen, dass die Genexpression im Gehirn zur Richtungspräferenz des Jagdverhaltens beiträgt, was die enge Verknüpfung zwischen genetischen Faktoren und verhaltensbiologischen Aspekten verdeutlicht.
Irgendwann in der Evolution des Buntbarsches könnte eine genetische Variation entstanden sein, die dieser Art half, besser an ihre Umgebung im Tanganjikasee angepasst zu sein und somit ihre Überlebenschancen zu erhöhen. Evolutionäre Biologie, die die Entwicklung und Anpassung von Lebewesen an ihre Umwelt untersucht, zeigt, wie solche Merkmale und Verhaltensweisen über Generationen hinweg selektiert werden können, basierend auf ihrer Funktionalität. Dabei spielen natürliche Selektion, genetische Variation und Artbildung eine zentrale Rolle, was auch auf andere Organismen anwendbar ist, wie die berühmten Darwinfinken auf den Galapagosinseln, die sich an unterschiedliche Nahrungsangebote angepasst haben.
Die aktuelle Forschung zum Buntbarsch Perissodus microlepis liefert nicht nur Erkenntnisse über jedwede Evolutionäre Mechanismen, sondern trägt auch dazu bei, unser grundlegendes Verständnis von Genetik und Verhalten zu erweitern. Die Erkenntnisse sind essenziell, um die Artenvielfalt zu schätzen und die Adaptionsmechanismen in der Natur zu verstehen. Diese Studien könnten auch weitreichende Anwendungen in Bereichen wie Naturschutz, Medizin und Landwirtschaft finden, was die Relevanz der evolutionären Biologie in der heutigen Welt unterstreicht.