
Die Forschung zu Internetnutzungsstörungen schreitet voran, wie die neuesten Entwicklungen der Forschungsgruppe „Affective and Cognitive Mechanisms of Specific Internet-Use Disorders“ (ACSID) zeigen. Diese Gruppe, die 2020 gegründet wurde und von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert wird, analysiert die psychologischen und neurobiologischen Prozesse hinter Internet-Suchterkrankungen. Geleitet von Prof. Dr. Matthias Brand von der Universität Duisburg-Essen, umfasst das Projekt Experten von acht Universitäten, darunter auch Prof. Dr. Steins-Löber von der Universität Bamberg. Insgesamt werden für zehn neue Teilprojekte Probanden gesucht, die an experimentellen und neuropsychologischen Aufgaben teilnehmen sowie Fragebögen ausfüllen und Video-Interviews absolvieren.
Teilnehmende ab 18 Jahren, die über gute Deutschkenntnisse verfügen, können entweder an Projektstandorten oder digital teilnehmen und erhalten eine Aufwandsentschädigung von 12 Euro pro Stunde. Insbesondere werden weibliche Personen gesucht, die häufig Computerspiele spielen oder Pornografie nutzen. Eine spezielle Teilstudie zielt darauf ab, Geschlechterunterschiede bei diesen Nutzungsstörungen zu untersuchen.
Neue Forschungsansätze und Diagnosen
Zudem beleuchtet die Diskussion über Internetabhängigkeit, die durch die Einführung der ICD-11 am 1. Januar 2022 an Bedeutung gewonnen hat, verschiedene Sichtweisen. Ist die Internetsucht eine eigenständige Krankheit oder könnte sie eher als Begleiterscheinung anderer Erkrankungen wie Depression betrachtet werden? Die ICD-11 definiert neuartige Diagnosen wie die „Gaming Disorder“ (Computerspielstörung, ICD-11-Code 6C51) und „Hazardous Gaming“ (riskantes Computerspielen, ICD-11-Code QE22), die spezifische Kriterien für die Diagnose festlegen.
Darüber hinaus wird „zwanghaftes Sexualverhalten“ (ICD-11-Code 6C72) eingeführt, das übermäßigen Pornokonsum umfasst. Diese neuen Diagnosen bieten nicht nur eine bessere Grundlage für die Behandlung von Betroffenen, sondern auch für Psychologen und Psychotherapeuten, die bislang mit ungenauen Diagnosen arbeiten mussten.
Therapeutische Ansätze und Herausforderungen
Die WHO hat Internetnutzungsstörungen als eigenständiges Krankheitsbild anerkannt, was die Versorgungslandschaft verbessern könnte. Zwar gibt es bereits Behandlungsmanuale für Kinder, Jugendliche und Erwachsene, aber die flächendeckende Versorgung lässt weiterhin zu wünschen übrig. Verhaltenstherapeutische Ansätze haben sich als effektiv erwiesen, die eine diagnostische Phase und eine individuelle Zielsetzung umfassen.
Zusätzlich wird der Bedarf an empirisch gesicherten Erkenntnissen für therapeutische Ansätze adressiert, die über die klassischen Verhaltenstherapien hinausgehen. Erste Schritte in Richtung tiefenpsychologischer und psychoanalytischer Ansätze wurden bereits formuliert. Eine randomisiert-kontrollierte Studie hat gezeigt, dass die Behandlungsgruppe eine um den Faktor zehn höhere Wahrscheinlichkeit für eine Remission der Suchtsymptomatik aufwies, was das Potenzial von strukturierten Therapieprogrammen unterstreicht.
Die Entwicklung geschlechtssensibler Behandlungsstrategien ist eine wichtige zukünftige Aufgabe, da sich die Ursachen von Internetnutzungsstörungen oft unterscheiden können. Fachverbände begrüßen die Fortschritte, die durch die Einführung neuer Diagnosen in der ICD-11 erzielt werden, als bedeutenden Schritt zur Unterstützung von Betroffenen und deren Angehörigen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die aktive Forschung und die neu eingeführten Diagnosen einen entscheidenden Einfluss auf das Verständnis und die Behandlung von Internetnutzungsstörungen haben können. Die laufenden Studien der Forschungsgruppe und die Entwicklung therapeutischer Ansätze sind zentrale Elemente für die Zukunft der Hilfsangebote in diesem Bereich, wie uni-bamberg.de hervorhebt.
Zusätzliche Informationen über die klassifizierten Störungen können auf webcare.plus und psylife.de nachgelesen werden.