
Im Jahr 2024 registrierte die Techniker Krankenkasse bundesweit 6.431 Verdachtsfälle auf Behandlungsfehler, was eine der höchsten Zahlen in der Geschichte der Krankenkasse darstellt. Prof. Dr. Klaus Weckbecker, Leiter des Instituts für Allgemeinmedizin und Ambulante Gesundheitsversorgung an der Universität Witten/Herdecke, wurde in über 100 Verfahren als Gutachter hinzugezogen, die häufig mit Schadensersatzansprüchen verbunden sind.
Die Verfahren beziehen sich meist auf die Frage, ob Ärzte in ihren Entscheidungen korrekt gehandelt haben. Dabei ist bemerkenswert, dass solche Fälle im Vergleich zu Millionen medizinischer Konsultationen als gering angesehen werden, die potentiellen Folgen jedoch gravierend sein können. Besonders kritische Fragen betreffen oft die Unvermeidbarkeit von Todesfällen, die in bestimmten Behandlungssituationen aufkommen können.
Risikofaktoren und Präventionsmaßnahmen
Gerade im ärztlichen Notdienst, wo Ärzte häufig auf unbekannte Patienten treffen, besteht ein hohes Risiko für Fehlentscheidungen. Prof. Weckbecker hebt hervor, dass voreilige Selbstdiagnosen von Patienten zu Fehlinformationen führen können. Um solche Risiken zu minimieren, empfiehlt er präventive Maßnahmen: Eine langfristige Bindung zu behandelnden Ärzten ist wichtig, ebenso das Mitnehmen einer Begleitperson zu wichtigen Terminen. Bei Unsicherheiten sollte auch eine kostenfreie Begutachtung bei der Ärztekammer in Betracht gezogen werden.
Die Sichtweise von Prof. Weckbecker über Klagen im Gesundheitswesen ist interessant; er betrachtet sie als eine Form der Qualitätssicherung. Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass nicht jede Fehldiagnose als Behandlungsfehler klassifiziert werden kann, da manche Krankheitsverläufe schlicht unvorhersehbar sind. Gerichte verlangen von Ärzten umsichtiges Handeln, das den Standards ihres Fachgebiets entspricht, anstatt Unfehlbarkeit zu garantieren.
Rechte der Patienten und Herausforderungen
Das Vorgehen bei einem Verdacht auf Behandlungsfehler hängt stark von den Zielen der betroffenen Patienten ab. Ein zentrales Bedürfnis ist oft ein klärendes Gespräch mit der verantwortlichen Ärztin oder dem Arzt. Experten raten, Ansprechpartner wie das Krankenhaus oder die behandelnden Ärzte zu kontaktieren. Zusätzlich können Patienten für Beschwerden oft auf das Beschwerdemanagement im Krankenhaus zurückgreifen, und in einigen Ländern sind unabhängige Patientenfürsprecher gesetzlich vorgeschrieben.
Das Bundesgesundheitsministerium führt weiter aus, dass gesetzliche Krankenkassen ihre Mitglieder bei Schadensersatzansprüchen aus Behandlungsfehlern unterstützen und Sachverständigengutachten des Medizinischen Dienstes einholen können. Zudem existieren Einrichtungen wie Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen, die dabei helfen, Fälle zu klären, die nicht Teil eines gerichtlichen Verfahrens sind.
Beweislast und emotionale Belastungen
Das Patientenrechtegesetz stellt hohe Anforderungen an den Nachweis von Behandlungsfehlern. Betroffene müssen unter Beweis stellen, dass ein Fehler tatsächlich passiert ist und dass dieser Fehler den erlittenen Schaden verursacht hat. Professor Peter Gaidzik von der Universität Witten/Herdecke erklärt, dass bereits die Möglichkeit eines Fehlers nicht ausreicht. Facetten wie die Beweislast kehren sich um, wenn ein grober Fehler belegt ist. In solchen Fällen müssen die behandelnden Ärzte nachweisen, dass der Fehler nicht zum Schaden geführt hat.
Das führt oft zu langwierigen und teuren Rechtsstreitigkeiten. Ein Beispiel ist der Fall von Greuner, der seit sechseinhalb Jahren mit den Folgen eines Behandlungsfehlers konfrontiert ist. Erst nach anderthalb Jahren erfuhr er, was seiner Frau zugestoßen war. Greuner hat ein Schlichtungsverfahren bei der Landesärztekammer initiiert, und seine Erfahrungen zeigen die emotionale und organisatorische Belastung, die solche Verfahren mit sich bringen. Kliniken sind oft daran interessiert, ihren Ruf zu wahren, was den Umgang mit Haftungsfragen zusätzlich erschwert.
Im Kontext dieser Thematik stellen sich zahlreiche Fragen, wie die bestehende Realität im Gesundheitswesen die Betroffenen betrifft und welche Reformen notwendig sind, um die Sicherheit der Patienten zu erhöhen.
Insgesamt zeigt sich, dass zwar Fortschritte erkannt werden, jedoch weiterhin ein erheblicher Reformbedarf in der Patientensicherheit besteht, um Behandlungsfehler und die Folgen für die Betroffenen adäquat zu adressieren. Über die notwendigen Schritte müssen Politik, Medizin und Gesellschaft dringend ins Gespräch kommen.