
Der Strukturwandel in der Lausitz, einer Region geprägt vom Rückgang der Kohlenindustrie, stellt nicht nur Herausforderungen, sondern auch Chancen für kulturelle und soziale Entwicklungen dar. Wie die Wissenschaftler der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg erläutern, bieten alte Bahnhöfe durch ihre oft leerstehenden Räume Potenzial, um neue Begegnungsorte und kulturelle Speicher zu schaffen. Claudia Arndt, eine der wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen an der BTU, hebt hervor, dass vor allem in der Lausitz, die stark vom Strukturwandel betroffen ist, verlassenen Bahnhöfen eine besondere Rolle zukommt.
Im Rahmen des Projekts „AlterPerimentale“, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wird, soll das Thema „Heimat gestalten“ in den Fokus gerückt werden. Ziel ist es, unterschiedliche Menschen miteinander ins Gespräch zu bringen und die Heimat als einen sozialen Prozess zu begreifen, der Dialog, Verantwortung und Vielfalt erfordert. Um diesen Dialog zu fördern, wird am Dienstag, den 10. Juni 2025, eine Exkursion mit dem Titel „Alte Orte, neue (T)Räume – Bahnhöfe als Zukunftsorte“ stattfinden.
Exkursion zu historischen Bahnhöfen
Diese Exkursion startet am Spreewaldbahnhof Cottbus (Tunnel) und führt zum Bahnhof Neupetershain. Die Teilnehmer erwartet ein Programm, das sowohl wissenschaftliche als auch praktische Elemente umfasst. Ein Impulsreferat von Dr. Lars Scharnholz zum Thema „Bahnhöfe als Zukunftsorte“ wird den Auftakt bilden. Anschließend erfolgt die Bahnfahrt nach Neupetershain, wo die Gruppe auf der „Wiese für alle“ im Projekt „Ruinenviertel Bahnhof Neupetershain – Nowe Wiki“ ankommt.
Während der Exkursion werden Gespräche über Regionalentwicklung und mögliche Ideen für Bahnhöfe in den Gemeinden Welzow, Neupetershain und Drebkau geführt. Auch das Bürger-Energie-Projekt „Mach ma‘ Watt“ wird vorgestellt. Die Exkursion bietet somit nicht nur Raum für Austausch und Diskussion, sondern auch für kulturelle Beiträge durch die Lausitziade gGmbH. Die Anmeldung für die Exkursion ist erforderlich, wobei die Fahrtkosten nicht erstattet werden.
Verborgene Schätze und Lost Places
Die Diskussion um alte Bahnhöfe weckt generell das Interesse an sogenannten „Lost Places“, Orten, die aus Kostengründen oft nicht abgerissen werden und einen Einblick in die Vergangenheit bieten. Laut Alexander Wallasch ist die Deutsche Bahn inzwischen aktiv geworden und bewirbt Reiseangebote zu verschiedenen dieser verlassenen Orte. Dazu zählen unter anderem die alte Abhörstation auf dem Teufelsberg in Berlin und die Beelitzer Heilstätten.
Das Beispiel des ehemaligen Grandhotels „Waldlust“ im Schwarzwald verdeutlicht die Ambivalenz dieser „Lost Places“. Hier bricht ein Reporter vorzeitig ab, da er sich unwohl fühlt. Die skeptischen Stimmen aus den sozialen Medien hinterfragen die Erreichbarkeit dieser Orte und die Werbeaussagen der Deutschen Bahn. Viele dieser verlassenen Plätze sind von Baufälligkeit geprägt und bieten somit sowohl historische Einblicke als auch Herausforderungen.
Strukturwandel und die Lausitz
Der Begriff „Strukturwandel“ beschreibt tiefgreifende Veränderungen in sozialen, wirtschaftlichen und administrativen Abläufen, wie sie seit der Wende 1989/90 in der Lausitz zu beobachten sind. Hier ist der Rückzug aus der Kohleindustrie besonders spürbar, wobei über 90 % der Belegschaft ihren Arbeitsplatz verloren. Der bis spätestens 2038 angestrebte Kohleausstieg lässt die Notwendigkeit für eine grundlegende Transformation erkennen.
Die Region erhält umfangreiche Strukturhilfen von etwa 17 Milliarden Euro in den kommenden zwei Jahrzehnten. Diese Mittel dienen nicht nur der Bekämpfung der wirtschaftlichen Folgen des Strukturwandels, sondern auch der Ansiedlung wissenschaftlicher Einrichtungen und dem Ausbau der Infrastruktur. Politische Akteure sind gefordert, belastbare Visionen und Governance-Strukturen zu entwickeln, um den nachhaltigen Wandel zu gestalten.
Die Herausforderungen sind vielschichtig und betreffen soziale, demografische und infrastrukturelle Erosionen ländlicher Räume. Eine stärkere Bürgerbeteiligung und Mitbestimmung werden als notwendige Schritte betrachtet, um den Strukturwandel erfolgreich zu gestalten. Eine nachhaltige Ausrichtung spielt eine zentrale Rolle für den langfristigen Erfolg und bietet somit auch Perspektiven für die für die weitere Entwicklung der Region.