
Unternehmerfamilien sind seit Generationen prägende Akteure in der Wirtschaft und Gesellschaft. Ihr Wirken ist gekennzeichnet von Erfolgen, aber auch von verdrängten Belastungen, die aus der Vergangenheit stammen. Angesichts dieser Komplexität hat die WIFU-Stiftung einen neuen Praxisleitfaden veröffentlicht. Der Leitfaden mit dem Titel „Vermächtnismanagement in Unternehmerfamilien – Passendes weiterführen, Problematisches ablegen“ von Prof. Dr. Heiko Kleve bietet Unterstützung für Familienunternehmen, um ihre familiäre Geschichte aktiv zu thematisieren und transgenerationales Vermächtnis sinnvoll zu gestalten. Veröffentlichungsdatum war der 18. Juni 2025, er steht kostenlos online zur Verfügung unter www.wifu.de/bibliothek.
Der Ziel des Leitfadens besteht darin, Unternehmerfamilien bei der Auseinandersetzung mit ihrer Geschichte zu unterstützen. Insbesondere wird dabei die Bedeutung unbewusster vergangener Erlebnisse betont, die häufig in mehrgenerationalen Familienunternehmen fortwirken. Tabuisierte Themen, wie etwa das unternehmerische Verhalten in Diktaturzeiten, können über Generationen hinweg belasten und erfordern eine sensible Herangehensweise.
Strategien zur Stärkung der Resilienz
In dem Leitfaden werden drei zentrale strategische Ansätze vorgestellt, die Unternehmerfamilien helfen sollen, ihre Resilienz zu steigern und den familiären Zusammenhalt zu fördern. Der erste Ansatz ist der selektive Vergangenheitsblick, der Erinnerungen und emotionales Wiederholen integriert und zum bewussten Durcharbeiten der Vergangenheit anregt. Der zweite Fokus liegt auf der Bewahrung von Traditionen und der gleichzeitigen Schaffung von Neuem, um das Zusammenspiel von Familie und Unternehmen in Einklang zu bringen. Schließlich wird die gegenwartsbezogene Loyalität innerhalb der aktiven Generation hervorgehoben.
Zusätzlich thematisiert der Leitfaden Herausforderungen, die Unternehmerfamilien häufig gegenüberstehen. Dazu zählen das Loslassen von belastenden Mustern, Loyalitätskonflikte sowie die Wiederholung familiärer Verhaltensweisen. Fallbeispiele und systemtheoretische Perspektiven erleichtern das Verständnis dieser theoretischen Ansätze und geben praktische Orientierungshilfen sowohl für Familienmitglieder als auch für Nachfolger und Berater.
Bedeutung von Familienunternehmen für die Gesellschaft
Familienunternehmen sind nicht nur ein wichtiger Bestandteil der deutschen Wirtschaft, sondern werden auch als resilient und beliebte Arbeitgeber wahrgenommen. Laut Prof. Birgit Felden von der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin korreliert die Beliebtheit dieser Unternehmen oft mit ihrer Größe. Kleinere Unternehmen können soziale Werte besser vermitteln und denken langfristiger, was sie besonders attraktiv macht, insbesondere in Zeiten des Fachkräftemangels.
Familienunternehmen zeigen ein stabiles Mitarbeiterengagement: Über ein Viertel der Angestellten ist seit mehr als zehn Jahren im Unternehmen. Diese langfristige Bindung erklärt sich durch Faktoren wie Sicherheit, Vertrauen sowie eine starke Identifikation mit dem Unternehmensziel. Dr. Markus Thannhuber von Einhell Germany AG hebt hervor, dass Familienunternehmen häufig auf dem Heimatmarkt aktiv sind, aber auch in der internationalen Arena von Bedeutung sind.
Die Fähigkeit zur Resilienz wird von Experten als entscheidender Wettbewerbsfaktor für diese Unternehmen eingestuft. Dr. Alexander Schmidt von osb international und Boris Söffge, Geschäftsführer der Söffge GmbH, erklären Resilienz als die Fähigkeit, sich externen Herausforderungen zu widersetzen und rechtzeitig zu reagieren. In der gegenwärtigen „Diversifizierten Polykrisen-Epoche“ fordern Fachleute wie Prof. (FH) Dott. Markus Weishaupt eine kritische Auseinandersetzung mit bestehenden Dogmen und die Offenheit für Diversität sowie digitale Kompetenzen.
Die WIFU-Stiftung, die seit 2009 Forschungsförderung im Bereich Familienunternehmertum betreibt, unterstützt diese Entwicklungen mit einem klaren Fokus auf generationenübergreifende Zukunftsfähigkeit. Rund 80 Familienunternehmen aus dem deutschsprachigen Raum fördern die Stiftung mit dem Ziel, Lehrstühle einzurichten, Forschung zu unterstützen und Stipendien zu vergeben. Der neue Leitfaden kann somit als ein Teil dieses Gesamtansatzes betrachtet werden, um die familiäre und unternehmerische Resilienz nachhaltig zu stärken.
Weitere Informationen zu den Themen des Familienunternehmertums finden sich auf den Webseiten von WIFU, wo regelmäßig Kongresse und Veranstaltungen stattfinden, die Anliegen von Familienunternehmen in den Vordergrund stellen.