
Immer mehr Menschen in Deutschland bringen neben Deutsch zusätzliche Sprachen wie Türkisch, Polnisch oder Arabisch in ihre Berufe ein. Dennoch bleibt der Einsatz und die Anerkennung dieser Herkunftssprachen in der Arbeitswelt häufig unklar. Ein neues Forschungsprojekt an der Universität Duisburg-Essen, genannt „Mehrsprachige Teilhabe am Arbeitsmarkt – Wert und Nutzung von Herkunftssprachen in der Erwerbstätigkeit“ (MAriE), widmet sich genau diesem Thema. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft unterstützt das Projekt mit rund 200.000 Euro für die Dauer von drei Jahren, um die Rolle von Herkunftssprachen im beruflichen Kontext zu untersuchen.
Das Projekt umfasst eine Vielzahl an Methoden, darunter Befragungen und Gruppendiskussionen, um die Nutzung von Herkunftssprachen am Arbeitsplatz zu analysieren. Forscher:innen interessieren sich besonders dafür, welche persönlichen Erfahrungen Befragte gemacht haben, und in welcher Sprache sie sich am sichersten fühlen. Dabei geht es auch darum, herauszufinden, ob Migrant:innen von ihren herkomstsprachlichen Fähigkeiten profitieren und ob diese Vorteile auch den Arbeitgebern zugutekommen.
Sprachliche Vielfalt und deren Nutzen
Eine zentrale Annahme des Projektes ist, dass die sprachliche Vielfalt durch verschiedene betriebliche Strukturen, Bildungswege und gesellschaftliche Normen bewertet wird. Ziel ist es, Wege zu identifizieren, wie Arbeitgeber die sprachlichen Fähigkeiten ihrer Angestellten über das Englische hinaus anerkennen und fördern können. Nicht nur die Anerkennung der Herkunftssprachen soll zur Chancengleichheit und gerechten Teilhabe am Berufsleben beitragen, sondern auch innovative Ansätze der Gestaltung im Arbeitsumfeld.
Die Bedeutung der Mehrsprachigkeit geht über den Arbeitsmarkt hinaus. In Deutschland hat mittlerweile fast jedes zweite Kind in Großstädten einen Migrationshintergrund, was den Stellenwert der Mehrsprachigkeit in Schulen und Bildungseinrichtungen erhöht. Kinder mit nicht-deutscher Herkunftssprache sollen Deutsch frühzeitig lernen und gleichzeitig ihre Muttersprache beibehalten. Dies sind Schlüsselpunkte für eine erfolgreiche bilingualen Förderung, die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützt wird. Die Herausforderung besteht darin, günstige Bedingungen zu schaffen, um Mehrsprachigkeit als Chance zu begreifen und nutzen zu können.
Gemäß dem IQB-Bildungstrend 2021 sprechen nur 60 Prozent der Grundschulkinder zu Hause ausschließlich Deutsch. Dies ist ein Rückgang von 73 Prozent im Jahr 2016 und 84 Prozent im Jahr 2011. In vielen deutschen Haushalten wird Deutsch von einer Vielzahl anderer Sprachen begleitet, was den kulturellen und sprachlichen Reichtum des Landes unterstreicht. Laut Samir Bouajaja, einem Lehrer an einer Kölner Gesamtschule, ist die Wertschätzung von Mehrsprachigkeit bei Schülern mit internationaler Familiengeschichte entscheidend für deren Identitätsbildung und schulischen Erfolg.
Die Rolle der Bildung
Die Studien belegen, dass Mehrsprachigkeit nicht nur kognitive Vorteile wie bessere Konzentration und Aufmerksamkeitsfähigkeit mit sich bringt, sondern auch die Sprachlernfähigkeit verbessert. Frühkindliche Sprachförderung ist entscheidend, da Kinder in der Lage sind, mehrere Sprachen mühelos zu lernen, vor allem bis zum Alter von sechs bis sieben Jahren. Dies wird von Sprachwissenschaftlern als ein zentrales Bildungsziel in Deutschland gefordert.
Trotz dieser positiven Aspekte stehen viele Kinder mit Migrationshintergrund vor zusätzlichen Herausforderungen. Im Durchschnitt zeigen sie geringere Leistungen in der Schule, was nicht nur an ihrem Sprachhintergrund liegt, sondern auch an sozioökonomischen Faktoren und elterlicher Unterstützung. Kinder aus weniger gebildeten Familien besuchen seltener ein Gymnasium, was den Bedarf an gezielter Sprachförderung unterstreicht.
Zusammenfassend zeigen aktuelle Trends und Forschungsergebnisse, dass Mehrsprachigkeit einen erheblichen Wert in der Gesellschaft, insbesondere in der Bildung und am Arbeitsplatz, hat. Die Herausforderung liegt darin, geeignete Rahmenbedingungen zu schaffen, um die vielfältigen sprachlichen Fähigkeiten zu nutzen und zu fördern.