
Die Medizinische Hochschule Hannover (MHH) hat mit einer innovativen Operationstechnik einen weltweit einzigartigen Eingriff am Gallengangkrebs durchgeführt, der das Leben von Susanne Viehmeier gerettet hat. Im Jahr 2022 erhielt Viehmeier die erschreckende Diagnose Gallengangkarzinom, das als inoperabel eingestuft wurde. Sie gab dem Tumor den persönlichen Namen „Erich“, was ihre Stärke und ihren Kampfgeist widerspiegelt.
Im Zuge ihrer medizinischen Behandlung wurde sie im April 2023 am MHH behandelt und verließ die Klinik bereits acht Tage nach ihrer Operation erfolgreich. Unter der Leitung von Prof. Dr. Moritz Schmelzle, Direktor der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie an der MHH, wurde der Tumor, der alle drei Lebervenen betroffen hatte, in einem bemerkenswerten Zeitraum von viereinhalb Stunden entfernt. Diese Operation stellte einen bedeutenden Fortschritt in der Behandlung von Gallengangkrebs dar.
Innovative Operationstechnik
Die neuartige Technik, die zur Anwendung kam, basiert auf einer Idee von Prof. Dr. Rudolf Pichlmayr und kombiniert moderne chirurgische Verfahren mit der extrakorporalen Membranoxygenierung (ECMO). Diese Technik wurde genutzt, um den Blutkreislauf aufrechtzuerhalten, während die Leber vom Kreislauf des Körpers abgeklemmt war. Ein Perfusionsgerät versorgte die Leber während des Eingriffs mit einer sauerstoffreichen Nährlösung und kühlte sie.
Vor der Operation musste die Leber zunächst gesplittet werden, um einen Leberlappen wachsen zu lassen, was Teil eines komplexen Verfahrens war, das eine experimentelle Therapie beinhaltete. Diese führte zu einer signifikanten Verkleinerung des Tumors, wodurch die Operationsbedingungen erheblich verbessert wurden. Die personalisierte Behandlung wurde durch das Molekulare Tumorboard (MTB) der MHH ermöglicht, das genetische Veränderungen bei Tumoren identifiziert und interdisziplinäre Tumorkonferenzen organisiert.
Diagnose und Perspektiven
Gallengangkrebs, auch biliäre Tumoren genannt, nimmt weltweit zu und gilt als schwer behandelbar. Die Heilungschancen sind meist schlecht, insbesondere in fortgeschrittenen Stadien. Standardtherapien umfassen Chemotherapie mit Gemcitabin und Cisplatin. Neuere Forschungsansätze, wie die international durchgeführte Studie KEYNOTE-966, zeigen jedoch, dass die Kombination von Immuntherapeutika wie dem Checkpoint-Inhibitor Pembrolizumab die Überlebenschancen verbessern kann. Diese Ergebnisse wurden in der renommierten Fachzeitschrift „The Lancet“ veröffentlicht und zeigen vielversprechende Heilungsansätze für zuvor unbehandelten metastasierten oder inoperablen Gallengangkrebs.
Die MHH gilt als überregionales Comprehensive Cancer Center (CCC), das spezielle Behandlungsmöglichkeiten für komplizierte Fälle bietet. In Deutschland treten bösartige Tumorerkrankungen der Gallenwege beim deutlich höheren Anteil der Männer auf, während Gallenblasenkarzinome bei Frauen häufiger vorkommen. Die Inzidenz von Gallenblasensteinen, die als Hauptursache für Gallenblasenkarzinome gelten, ist ebenfalls höher bei Frauen. Dennoch entwickeln nur sehr wenige Patienten mit Gallensteinen im Laufe ihres Lebens ein Gallenblasenkarzinom.
Susanne Viehmeier zeigt sich nach ihrem Eingriff in einem sichtbaren Gesundheitszustand und plant, im Herbst ihren 40. Hochzeitstag zu feiern. Ihr Fall verdeutlicht die Fortschritte in der modernen Medizin und die Bedeutung personalisierter Therapieansätze in der Bekämpfung von Krebs. Diese Entwicklungen könnten wegweisend für viele zukünftige Patienten mit ähnlichen Diagnosen sein.
Weitere Informationen zu den Therapiemöglichkeiten für Gallengangkrebs finden Sie in den Berichten auf MHH, Uniklinik Ulm und MHH.