
Materialwissenschaften gelten als eine Schlüsseldisziplin für zentrale Zukunftsprojekte wie die Energiewende, den 3D-Druck und das Quantencomputing. Um die Digitalisierung in diesem Bereich voranzutreiben, wurde seit 2019 die „Plattform MaterialDigital“ initiiert, die vor allem durch das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) koordiniert wird. Das Hauptziel dieser Plattform ist die systematische und standardisierte Handhabung von Werkstoffdaten, um den Umgang mit diesen entscheidend zu verbessern. Diese Bestrebungen erhalten durch die Unterstützung des Bundesministeriums für Bildung, Forschung und Technologie (BMFTR) einen zusätzlichen Schub.
Ab Oktober 2025 wird die dritte Förderphase des Verbundprojekts beginnen, welches mit 3,1 Millionen Euro über einen Zeitraum von drei Jahren bis September 2028 finanziert wird. Das KIT wird dabei zentrale Aufgaben in den Bereichen IT-Architektur und Workflows übernehmen und die Geschäftsstelle der Plattform betreiben. Bemerkenswert ist auch die internationale Anerkennung der Arbeit von MaterialDigital, die nicht nur in Deutschland, sondern auch in der Europäischen Kommission Beachtung findet, die plant, eine europäische Infrastruktur für digitale Materialwissenschaften zu schaffen. Die Fachzeitschrift Advanced Engineering Materials hat zudem eine Sonderausgabe zu den Ergebnissen und Methoden von MaterialDigital veröffentlicht.
Fortschritte durch Quantencomputing
Parallel zu diesen Entwicklungen erfolgt intensives Arbeiten an der Nutzung von Quantencomputern in den Materialwissenschaften. Das Projekt QuantiCoM, das vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Zusammenarbeit mit mehreren Partnern durchgeführt wird, spannt den Bogen zwischen theoretischen Grundlagen und praktischen Anwendungen. Die Projektlaufzeit erstreckt sich von November 2022 bis Oktober 2026, und das Ziel besteht darin, Werkzeuge zu entwickeln, die eine schnellere Entdeckung und Entwicklung von Materialien für industrielle Anwendungen ermöglichen.
Ein zentraler Aspekt ist die Verbesserung der Werkstofftechnik durch die Integration quantenmechanischer Effekte, wie Superposition und Verschränkung, zur Berechnung von Wechselwirkungen in Atomsystemen. Verbraucher und Unternehmen können von dieser Forschung profitieren, da die Entwicklungszeiten für neue Materialien signifikant reduziert werden können. Dabei spielen auch innovative Algorithmen eine Rolle, die speziell für die Nutzung auf Noisy Intermediate-Scale Quantum (NISQ)-Computern entwickelt werden.
Kollaboration und Publikationen
Die Zusammenarbeit dreier DLR-Institute stellt sicher, dass Kenntnisse in den Bereichen metallische Werkstoffe, Molekulardynamik von Flüssigkeiten und Quantenmechanik von Batteriesystemen gebündelt werden. Jüngste Fortschritte in der Quantenforschung beinhalten unter anderem die Identifikation von Materialsystemen mit potenziellen Quantenvorteilen und die Durchführung von QC-Simulationen von einfachen Verbindungen. Diese Forschungen sind von besonders hoher Relevanz für die Entwicklung innovativer Recycling-basierter Legierungen und die industrielle Verwendung von Schrott aus Verbrennungsmotoren.
Die Resultate dieser intensiven Forschungsarbeit wurden bereits in verschiedenen Publikationen festgehalten. Ein Beispiel sind die kürzlich veröffentlichten Arbeiten über gradientenfreie Optimierung in variational quantum eigensolvers und Strategien für fermionische Quanten-Simulationen.
Ein tiefergehendes Verständnis der elektronischen Wechselwirkungen in Materialien wird durch die Analyse von Modellen wie dem Fermi-Hubbard-Modell erreicht. Der Einsatz von geräuschvollen Quantencomputern ermöglicht es, komplexe Quantensysteme schneller zu simulieren als klassische Computer. Fortschritte in den Variational Quantum Algorithms (VQAs) zeigen, dass die Forschung zur Vorbereitung eines optimalen Anfangszustands entscheidend ist, um erfolgreich mit quantenmechanischen Algorithmen arbeiten zu können.
Insgesamt lässt sich festhalten, dass sowohl die Initiative MaterialDigital als auch Forschungen in QuantiCoM wichtige Schritte in der Digitalisierung der Materialwissenschaften darstellen, die durch den Einsatz modernster Technologien erheblich profitieren könnten. Die kontinuierliche Zusammenarbeit zwischen wissenschaftlichen Einrichtungen und industriellen Partnern wird entscheidend sein für die Zukunft dieser Disziplin und die Möglichkeit, neues Potenzial in der Materialforschung zu erschließen.