Heidelberg gedenkt 1945: Eine Reise durch Krieg und Frieden
Die Ruperto Carola Ringvorlesung der Uni Heidelberg widmet sich dem Wendepunkt 1945, beleuchtet historische Kontexte und Erfahrungen.

Heidelberg gedenkt 1945: Eine Reise durch Krieg und Frieden
Am 30. April 2025 fand an der Universität Heidelberg die Ruperto Carola Ringvorlesung statt. Diese Vorlesungsreihe widmet sich dem Jahr 1945 als einer Epochenschwelle und Erfahrungsraum. Konzipiert von Prof. Dr. Manfred Berg vom Historischen Seminar, beleuchtet die Veranstaltung sowohl die rückschauende Deutung des Endes des Zweiten Weltkriegs als auch die Rekonstruktion des menschlichen Erlebens in dieser chaotischen Zeit.
Die Vorträge, die montags in der Aula der Alten Universität um 18.15 Uhr abgehalten werden, beinhalten Perspektiven von Referenten aus Deutschland, Österreich und den USA. Sie thematisieren lokale, nationale und internationale Kontexte der Ereignisse rund um das Kriegsende. Besonders zu erwähnen ist der Auftaktvortrag von Prof. Jörn Leonhard, der einen Vergleich zwischen dem Ende des Ersten und des Zweiten Weltkriegs bietet. Die Betrachtung beginnt mit dem Glauben an einen Sieg im Ersten Weltkrieg, der bis zum Sommer 1918 anhielt; im Gegensatz dazu sank der Optimismus über den Ausgang des Zweiten Weltkriegs bereits Ende 1942.
Die Zäsur 1945: Eine Zeit des Umbruchs
Das Jahr 1945 gilt in der deutschen und europäischen Erinnerung als eine tiefgreifende Zäsur. Während die Welt von den Schrecken des Krieges geprägt war, verlangte diese Zeit nach einer Neubewertung der gesellschaftlichen und politischen Strukturen. Die Bundeszentrale für politische Bildung hebt hervor, dass die sechs Jahre Krieg in Europa rund 40 Millionen Menschenleben kosteten, darunter sechs Millionen Juden im Holocaust. Weite Teile Europas lagen in Trümmern, und nach dem Kriegsende übernahmen die Siegermächte die Herrschaft über Deutschland, was weitreichende politische Veränderungen zur Folge hatte.
Besonders in Mittel-, Ostmittel- und Osteuropa prägte die sowjetische Einflussnahme die geopolitische Landschaft. Die westliche Verschiebung Polens führte zu massenhaften (Zwangs-)Migrationen und einer Reihe kommunistischer Machtübernahmen in mehreren Ländern bis 1948. Historisch wird 1946 als das Jahr bezeichnet, in dem Winston Churchill den „eisernen Vorhang“ über Europa beschrieb, was die Teilung des Kontinents in Ost und West symbolisierte.
Visionen nach dem Krieg
Der Endpunkt des Zweiten Weltkriegs fiel während einer Zeit großer Unsicherheit und Gewalt innerhalb der europäischen Gesellschaften. Die Ereignisse in Japan führten ebenfalls zu entscheidenden historischen Entwicklungen. Am 14. August 1945 akzeptierte Japan die Bedingungen für das Kriegsende nach verheerenden Atombombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki durch die USA. Diese Bombardements markierten den Übergang in das nukleare Zeitalter und die anschließende Gründung der United Nations Atomic Energy Commission, die eine Kontrolle über nukleare Waffen anstrebte.
Das Jahr 1945 stellt nicht nur das Ende eines Krieges dar, sondern auch den Anfang eines Prozesses, der zur Unabhängigkeit vieler kolonialer Länder führen sollte. Länder wie Vietnam und Indonesien erklärten ihre Unabhängigkeit, während die europäischen Kolonialmächte versuchten, ihre Herrschaft gewaltsam wiederherzustellen. Doch diese Versuche scheiterten letztlich, was in den folgenden Jahrzehnten zu erheblichen politischen Umwälzungen in Asien und Afrika führte.
Die Ruperto Carola Ringvorlesung ist Teil eines größeren Vorhabens, das sich mit dem historischen Wendepunkt 1945 auseinandersetzt. Im Sommersemester sind weitere Vorträge geplant, die sich mit den zentralen Fragen dieser Zeit beschäftigen. Begleitet wird die Vorlesungsreihe von einer Fotoausstellung mit dem Titel „1945: Heidelberg – Alle(s) verloren?“, die am 4. Mai eröffnet wird. Eine weitere Ausstellung mit Arbeiten des Fotojournalisten Leonard McCombe startet am 6. Mai im Heidelberg Center for American Studies.
Die Auseinandersetzung mit 1945 bietet eine umfassende Reflexion über die Herausforderungen und Veränderungen, die nicht nur Deutschland, sondern die gesamte Weltgeschichte prägten. Die Ruperto Carola Ringvorlesung trägt dazu bei, diese historischen Fragestellungen einem breiten Publikum zugänglich zu machen und die unterschiedlichen Erfahrungen und Erinnerungen an diese Epoche zu beleuchten.