
In der aktuellen Diskussion um die Rolle und die Herausforderungen von Influencer:innen zeigt eine Studie der EBS Universität für Wirtschaft und Recht, dass hinter dem glamourösen Bild oft eine ganz andere Realität steckt. Laut den Forschern, darunter Dr. Katja Spörl-Wang, Prof. Dr. Franziska Krause und Prof. Dr. Sven Henkel, kommen Influencer:innen, obwohl sie als Prototypen digitaler Freiheit gelten, mit einer Vielzahl von psychischen Belastungen und Identitätskonflikten in Berührung. Es wurde eine qualitative Interviewstudie mit 31 Lifestyle-Influencer:innen aus Europa durchgeführt, die Einblicke in die komplexe Lebenswelt dieser Persönlichkeiten bietet.
Die Studie umfasste Influencer:innen verschiedener Größenordnungen, von Nano- bis Mega-Creators, die Followerzahlen von bis zu 5,5 Millionen aufweisen. In etwa 29 Stunden an Interviewmaterial wurden die Herausforderungen analysiert, mit denen diese Creator:innen im Alltag konfrontiert sind. Ein zentrales Ergebnis ist, dass eine wachsende Reichweite oft als Einschränkung empfunden wird, was in direktem Zusammenhang mit dem Druck steht, den Erwartungen der Community gerecht zu werden.
Paradoxe Motivationsmuster und ihre Auswirkungen
Die Forscher identifizierten fünf paradoxe Motivationsmuster, die das Verhalten der Influencer:innen prägen:
- Zugehörigkeit: Verlust echter Beziehungen und Angst vor Hasskommentaren.
- Prestige & Fame: Druck zur Selbstoffenbarung und das Gefühl des Kontrollverlustes.
- Selbstverwirklichung: Identitätserschöpfung durch ständige Präsenz.
- Freiheit: Anpassung an Regeln und Erwartungen der Plattform sowie der Follower.
- Finanzieller Erfolg: Zukunftsangst und monetäre Abhängigkeit.
Die Relevanz dieser Erkenntnisse erstreckt sich über die individuellen Herausforderungen von Influencer:innen hinaus. Marken und Agenturen sind gefordert, die Karrierephase von Influencer:innen zu berücksichtigen, um nachhaltige Partnerschaften zu entwickeln. Besonders junge Creator:innen sollten sich frühzeitig mit ihrer mentalen Gesundheit und potenziellen Exit-Szenarien auseinandersetzen, um die Risiken besser zu managen. Die vollständige Studie ist im Journal of Business Research veröffentlicht.
Den Einfluss von Werbung auf Jugendliche
Ein weiterer Aspekt, der im Kontext von Influencern und ihrem Einfluss auf die Gesellschaft relevant ist, ist die Wirkung ihrer Werbung, insbesondere auf Jugendliche. Laut einer Studie, die über 1000 Jugendliche zu ihrem Konsum von Influencer-Content befragte, zeigt sich, dass Jugendliche besonders anfällig für die Marketingstrategien von Influencern sind. Ihre Wahrnehmung von Werbung als authentisch und nahbar führt oft zu einem sogenannten Kaufrauschverhalten, ähnlich wie bei klassischer Werbung mit Prominenten.
Ein Mangel an Impulskontrolle in der Adoleszenz bedeutet, dass Jugendliche häufig sofortige Kaufwünsche haben, die sie später bereuen, besonders in finanziell angespannten Situationen. Die Studie deckt auch auf, dass bildungsbenachteiligte Jugendliche und materialistisch geprägte Kinder besonders gefährdet sind. Hier ist es von Bedeutung, dass ein Social-Media-Verbot für Jugendliche nicht als zielführend angesehen wird. Stattdessen sollte der Fokus auf Edukation liegen, um Jugendliche dazu zu befähigen, kritisch mit Influencer-Content umzugehen.
Ein entwickeltes Manual für die Schulsozialarbeit soll Jugendliche stärken und ihre Reflexion über Influencer fördern. Es enthält Module zur kritischen Betrachtung des Lebens von Influencern sowie zur Reflexion von Freundschaften. Die Diskussion um eine Kennzeichnungspflicht für Werbung durch Influencer bleibt ebenfalls aktuell, da dies allein jedoch nicht ausreicht, um Jugendliche zu schützen. Edukation ist notwendig, um sowohl Jugendliche als auch Erwachsene für die Mechanismen und Risiken der Influencer-Werbung zu sensibilisieren.