
Am 7. April 2025 hat das Forschungskolleg „Europäische Zeiten/European Times – A Transregional Approach to the Societies of Central and Eastern Europe“ (EUTIM) einen bedeutenden Meilenstein erreicht. Das Projekt, das seit April 2021 läuft, wird von renommierten Institutionen wie der Europa-Universität Viadrina, der Universität Potsdam sowie dem Forum Transregionale Studien in Berlin getragen und widmet sich der Untersuchung von Zeit- und Raumnarrativen in Mittel- und Osteuropa. Mit einer Förderung von rund 1,7 Millionen Euro durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) in der ersten Förderphase steht seit dem offiziellen Start von EUTIM am 17. Januar 2025 eine zweite, weitere dreijährige Förderungsphase vor der Tür, die mit 1.143.000 Euro ausgestattet ist.
Wie uni-potsdam.de berichtet, ist eine zentrale Fragestellung des Projekts, wie sich die unterschiedlichen Zeitvorstellungen zwischen Mittel- und Osteuropa und Westeuropa auswirken. Prof. Dr. Alexander Wöll, der Leiter des Potsdamer Teils des Projekts, hebt die Notwendigkeit hervor, die kulturellen Auswirkungen dieser unterschiedlichen Auffassungen zu analysieren. Der historische Kontext zeigt, wie seit der Aufklärung die universelle Zeit als westlich definiert wurde. Larry Wolff beschreibt in seinem Werk „Inventing Eastern Europe“ die Kategorisierung östlicher Länder als „unaufgeklärt“, was weiterhin Einfluss auf die Wahrnehmung von Zeitkonzepten hat.
Einblicke in Zeitkonzepte und deren kulturelle Bedeutung
Das EUTIM-Projekt betrachtet historische Wendepunkte wie die Revolution von 1917, die die Einführung einer Fünf-Tage-Arbeitswoche zur Folge hatte und den christlichen Ruhetag abschaffte. Dies führte zu einer neuartigen Wahrnehmung von Zeit in der Gesellschaft. Die Forschung geht auch auf die Darstellungen von Zeit in der osteuropäischen Literatur ein. Beispiele wie Sofia Andruchowytschs „Amadoka“, welches die traumatisierenden Effekte des Krieges thematisiert, sowie Jacek Hugo-Baders „Kolyma-Tagebuch“, das sowjetische Zeitvorstellungen beleuchtet, demonstrieren die Vielfalt der zeitlichen Narrative in der Region.
Darüber hinaus nutzen moderne Autoren wie Jáchym Topol und Saša Stanišić innovative Textstrategien, um ihre Perspektiven auf die Zeit darzustellen. Die Diskussion über den Begriff der „Zeitenwende“ hat durch die aktuelle politische Lage an Relevanz gewonnen, insbesondere angesichts der Entwicklungen im Kontext Russlands und des Ukraine-Konflikts. Laut dem Projektleiter Hartmut Rosa wird die gesellschaftliche Beschleunigung ebenfalls als bedeutender Einfluss auf die Zeitwahrnehmung thematisiert.
Forschungsansätze und zukünftige Herausforderungen
Das Projekt hat bereits Erfolge bei der Förderung junger Wissenschaftler und Künstler aus der Ukraine verzeichnet. Künftige Forschungsfragen konzentrieren sich unter anderem auf Lebensgeschichten queerer Künstler und die Analyse von Zeitlichkeiten in der slawischen Literatur. In den kommenden Jahren sind Konferenzen und Projekte geplant, die sich intensiv mit literarischen und kulturellen Themen in Osteuropa auseinandersetzen werden.
Wie das-wissen.de feststellen kann, wird der interdisziplinäre Ansatz im EUTIM-Projekt nicht nur die bereits bestehenden Fragestellungen vertiefen, sondern auch heute überaus relevante Themen, wie die Analyse heterogener Zeitvorstellungen und deren historische Dynamiken, beleuchten. Unter der Leitung von Prof. Dr. Annette Werberger und Prof. Dr. Andrii Portnov werden Teilprojekte die zeitlichen Ungleichheiten in der Region wissenschaftlich untersuchen und Innovationen in den Regionalstudien in Deutschland fördern.
Zusammengefasst nimmt das Forschungskolleg EUTIM eine Schlüsselrolle ein, um ein tieferes Verständnis für die Komplexität von Zeit und deren kultureller Bedeutung in Mittel- und Osteuropa zu entwickeln. Es wird spannend sein, welche Ergebnisse und Einblicke die kommenden Jahre bringen werden, während die Welt weiterhin in einem dynamischen politischen und gesellschaftlichen Kontext agiert.