
Am 26. März 2025 lädt das Internationale Heritage-Zentrum der Bauhaus-Universität Weimar zu einer besonderen Veranstaltung in der Universitätsbibliothek ein. Ab 19.30 Uhr wird die Autorin Florentine Anders aus ihrem neuen Roman „Die Allee“ lesen. Dieser greift das Leben ihres Großvaters Hermann Henselmann auf, einer der bedeutendsten Architekten der DDR und eine prägende Figur der Ostmoderne. Das Gespräch wird von Prof. Dr. Daniela Spiegel und Dr. Bianka Trötschel-Daniels moderiert, die die Themen Bauhaus-Ideen sowie die Architektur der DDR mit Anders diskutieren werden. Die Veranstaltung wird den Eintritt nach dem Prinzip „Pay-what-you-can“ ermöglichen, und es sind nur Abendkassen verfügbar.
Hermann Henselmann, geboren 1905, war nicht nur für den Entwurf markanter Bauwerke wie der Stalinallee (heute Karl-Marx-Allee) und des Berliner Fernsehturms bekannt, sondern auch für seine Rolle in der Entwicklung der modernen Architektur in der DDR. Seine Karriere war durch politische Anpassungen und kreative Visionen geprägt, was ihm zeitweise erhebliche Einschränkungen auferlegte. Henselmann musste seine Entwürfe häufig ändern, um den Anforderungen der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) gerecht zu werden. In der zeitgenössischen Wahrnehmung war er sowohl ein charismatischer Visionär als auch ein strenger Familienvater, dessen Beziehung zu seinen Kindern von einem Spannungsverhältnis zwischen Respekt und Angst geprägt war.
Einblicke in das Familienleben
Der Roman „Die Allee“ beleuchtet nicht nur Henselmanns berufliche Errungenschaften, sondern gewährt auch persönliche Einblicke in sein Familienleben, das von Liebe, Eifersucht und Betrug geprägt war. Henselmann und seine Frau Isi, selbst eine Architektin, gründeten eine große Familie mit acht Kindern. Ihre Tochter Isa suchte fortwährend ihren eigenen Weg, abseits der strengen Erwartungen des Vaters. Florentine Anders erzählt diese Geschichten aus der Perspektive ihrer Großmutter Irene von Bamberg (Isi) und ihrer Tante Isa, wodurch sie die Dynamiken innerhalb der Familie und die Auswirkungen der politischen Rahmenbedingungen in der DDR eindringlich darstellt.
Die Handlung des Romans erstreckt sich über einen bemerkenswerten Zeitraum von 1931 bis zu Henselmanns Tod 1995 und beinhaltet verschiedene historische Epochen. Anders‘ Erzählweise kombiniert persönliche Erinnerungen und historische Fakten, um einen tiefen Einblick in die Architekturgeschichte der DDR zu bieten. Der Roman wurde ursprünglich als Sachbuch konzipiert, jedoch umgewandelt, um den Charakteren und ihrer Konflikte näher zu kommen. Während Henselmanns schillernde Karriere endet, eröffnet die Erzählung gleichzeitig eine Auseinandersetzung mit der Geschichte des Landes und der Entwicklung seiner Architektur.
Architektur in der DDR und der Einfluss von Henselmann
Die Architektur der DDR war vielfältig und unterlag ständigen politischen und wirtschaftlichen Einflüssen. Die 1950er Jahre waren geprägt von sozialistischem Klassizismus, wie am Beispiel des Frankfurter Tors in Berlin deutlich wird. Henselmanns Entwürfe wurden oft als zu modernistisch kritisiert, was dazu führte, dass viele von ihnen modifiziert werden mussten. Der Fokus auf kostengünstiges Bauen führte zur Industrialisierung des Bauens und zur Schaffung von Typenbauten, die an den Bedürfnissen der Massenwohnbauten orientiert waren. Zwischen 1949 und 1989 entstanden in der DDR etwa 3 Millionen Wohnungseinheiten, von denen 1,5 Millionen im Plattenbau errichtet wurden.
Henselmann war also nicht nur ein Architekt, sondern ein Symbol für die Verbindung von Politik, Gesellschaft und Stadtplanung in der DDR. Er war maßgeblich an der Gestaltung der sozialen Wohnstruktur beteiligt und hielt sich trotz der politischen Vorgaben einen gewissen Freiraum für menschenfreundliche Wohnkonzepte. Seine Baukunst wird bis heute als Teil des kulturellen Erbes der neuen Bundesländer wahrgenommen, auch wenn die Architektur der DDR oft kritisch betrachtet wird.
Am 26. März 2025 wird Florentine Anders mit ihrer Lesung und dem anschließenden Gespräch einen weiteren wichtigen Beitrag zur Auseinandersetzung mit der Baugeschichte der DDR leisten und die Bedeutung von Hermann Henselmann in den Fokus rücken. Weitere Informationen zur Veranstaltung finden sich auf der Website der Universität Weimar.