
Eine aktuelle Meta-Analyse wirft Licht auf die bislang unklaren evolutionären Folgen mütterlicher Hormone in Vogeleiern. Dreißig Jahre nach deren Entdeckung bleiben viele Fragen offen. Das Forschungsteam um Dr. Alfredo Sánchez-Tójar von der Universität Bielefeld untersuchte die Auswirkungen von mütterlichen Hormonen auf die Fitness von Nachkommen und Eltern. Dabei analysierte das Team 438 Effektstärken aus 57 Studien zu 19 wildlebenden Vogelarten.
Das Ziel der Studie war es, einen Zusammenhang zwischen höheren Konzentrationen mütterlicher Hormone und Fitnessvorteilen zu überprüfen. Die Ergebnisse zeigen jedoch einen sehr schwachen und variablen Einfluss auf die Fitness-Maßzahlen. Weder die Art des Hormons noch das Alter der Vögel oder methodische Unterschiede konnten diese Variabilität hinreichend erklären.
Forschungsansätze und Herausforderungen
Die Heterogenität der Ergebnisse könnte durch phylogenetische Unterschiede und Abweichungen innerhalb der Studien beeinflusst werden. Dr. Sánchez-Tójar betont die Notwendigkeit eines ganzheitlicheren Forschungsansatzes. Zukünftige Forschung sollte auch Kontextabhängigkeiten und alternative Mechanismen mütterlicher Effekte untersuchen.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die aktive Rolle der Embryonen in der Verarbeitung der mütterlichen Hormone. Hohe Variabilität der Effekte könnte durch Umweltbedingungen sowie Wechselwirkungen mehrerer mütterlicher Einflüsse auf das Ei verursacht werden. Um diese Fragen zu klären, sind robuste Ansätze zur Standardisierung und Validierung von Methoden zur Hormonextraktion erforderlich.
Der Einfluss von Geschlechtshormonen
Zusätzlich zum Einfluss der mütterlichen Hormone in der Brutphase sind auch artspezifische saisonale Gesangsveränderungen bei Singvögeln von Interesse. Diese werden durch Geschlechtshormone und Unterschiede in den Genexpressionsmustern im Gesangskontrollsystem beeinflusst, wie forschung.mpg.de beschreibt.
Geschlechtshormone, insbesondere Testosteron, spielen eine entscheidende Rolle bei der Modifikation spezifischer neuronaler Verschaltungen im Gehirn von Singvögeln. Dies wirkt sich direkt auf physiologische, morphologische und verhaltensbiologische Merkmale aus, die den Fortpflanzungserfolg beeinflussen. Männliche Kanarienvögel zeigen saisonal veränderten Gesang, der durch Testosteron reguliert wird, während weibliche domestizierte Kanarienvögel normalerweise nicht singen, aber durch Testosteronbehandlungen Gesang entwickeln können.
Langfristige Testosteronbehandlungen verursachen auch morphologische Veränderungen, einschließlich Volumenzunahme in Kernen des Gesangskontrollsystems. Zudem ist die Expression von Nervenwachstumsfaktoren wie BDNF, die für das Gesangslernen wichtig sind, hormonabhängig.
Die Vielzahl von Mechanismen und deren artspezifische Unterschiede erfordern vertiefte vergleichende Studien der genetischen Regulationsmechanismen, um das Verständnis der Evolution geschlechtsspezifischen Verhaltens weiter zu vertiefen.