
Die Forschung zu neurodegenerativen Erkrankungen hat in den letzten Jahren neue Dimensionen erreicht. Eine aktuelle Initiative der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) legt den Fokus auf die geschlechtsspezifischen Unterschiede bei Erkrankungen wie Alzheimer und Parkinson. Laut den Informationen von der Universität des Saarlandes sind Frauen überproportional von Alzheimer betroffen, während Parkinson eher Männer betrifft. Diese Unterschiede könnten ihre Wurzeln in der embryonalen Entwicklung und den geschlechtsspezifischen Unterschieden im Gehirn haben.
Bisherige Forschungen konzentrierten sich vor allem auf Neuronen, nun haben Gliazellen ebenfalls in der Forschung an Bedeutung gewonnen. Professorin Julia Schulze-Hentrich koordiniert das neu aufgelegte Schwerpunktprogramm, das mit etwa 55 Millionen Euro gefördert wird. Von 53 eingereichten Initiativen erhielten nur acht eine Förderung für drei Jahre. Eines der interdisziplinären Projekte an der Universität des Saarlandes wird mit etwa sieben Millionen Euro unterstützt und zielt darauf ab, geschlechtsspezifische Unterschiede bei neurodegenerativen und psychiatrischen Erkrankungen wie Demenz, Autismus und Depressionen zu untersuchen.
Forschungsziele und Ansätze
Ein zentrales Anliegen ist die Erforschung der biologischen Mechanismen und hormonellen Steuerungen von Gliazellen. Diese Zellen haben eine entscheidende Rolle im Stoffwechsel des Gehirns und reagieren stark auf Hormone. Weiterhin wurden Unterschiede in der Vernetzung zwischen den Gehirnhälften festgestellt: Frauen zeigen eine ausgeprägtere Vernetzung zwischen den beiden Hemisphären, während Männer stärkere Verbindungen zwischen den vorderen und hinteren Gehirnpartien aufweisen.
In der Grundlagenforschung werden auch geschlechtsbezogene Unterschiede in neuronalen Schaltkreisen und der Synapsen untersucht. Frauen besitzen mehr graue Substanz, was zu besseren intuitiven Denkfähigkeiten führt, während Männer ein größeres Gehirn mit optimierten motorischen Fähigkeiten haben. Elektrophysiologie, Verhaltensforschung und Bioinformatik sind weitere Bereiche dieser umfassenden Studie. Ein weiteres Ziel besteht darin, einheitliche Methoden zu entwickeln, um die gesammelten Daten für andere Forschungsgruppen zugänglich zu machen.
Herausforderungen und Erkenntnisse
Die Forschungslandschaft zu Alzheimer, der häufigsten Form von Demenz, zeigt ein anhaltendes Wachstum an Fällen. Schätzungen zufolge sind in den USA über fünf Millionen Menschen betroffen, wobei die Zahl bis 2050 auf 14 bis 16 Millionen steigen könnte, falls keine wirkungsvollen Interventionen erfolgen. In den letzten 20-30 Jahren gab es zwar einen Rückgang des Demenzrisikos in einigen wohlhabenden Ländern, jedoch bleibt der zukünftige Einfluss ungewiss. Wichtig ist auch, dass geschlechtsspezifische Unterschiede in der Patientenversorgung und Forschung bislang nicht genug Berücksichtigung finden, obwohl Studien belegen, dass etwa zwei Drittel der Alzheimer-Patienten Frauen sind, was unter anderem auf eine höhere Lebenserwartung zurückzuführen ist.
Unterschiede in Risikofaktoren zwischen den Geschlechtern spielen ebenfalls eine entscheidende Rolle. Dazu gehören Faktoren wie das APOE-Gen, Bildung sowie Schwangerschafts-Komplikationen, die besonders bei Frauen Risikofaktoren darstellen. Männer zeigen hingegen höhere Prävalenzen für Schlafapnoe, was ebenfalls mit kognitiven Beeinträchtigungen verbunden ist.
Zusammenfassend zeigt sich, dass die Erforschung neurodegenerativer Erkrankungen immer differenzierter wird. Programme wie das der DFG eröffnen neue Perspektiven für geschlechtssensible Forschung und könnten entscheidend zur Entwicklung neuer Medikamente beitragen. Experten, die sich mit bildgebenden Verfahren beschäftigen, können sich zur Mitwirkung an diesem Schlüsselprojekt bewerben, um letztlich die Therapieansätze für beide Geschlechter zu verbessern und den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern von morgen neue Möglichkeiten zu erschließen.