
Rund 1,8 Millionen Menschen in Deutschland leben mit Demenz, wobei zwei Drittel dieser Personen zuhause von Angehörigen gepflegt werden. Der Alltag von Betroffenen und ihren Angehörigen ist häufig von Herausforderungen, Kommunikationsproblemen und emotionalen Konflikten geprägt. In diesem komplexen Umfeld hat die Universität Witten/Herdecke (UW/H) ein innovatives Projekt ins Leben gerufen, das die Beteiligung der Betroffenen in den Forschungsprozess einbezieht. Das Projekt mit dem Titel „Partizipative fokusgruppenbasierte Entwicklung eines individualisierten Video-Feedback-Interventions-Programms für zuhause lebende Menschen mit Demenz und ihre pflegenden Angehörigen“ (kurz ParDeVI) wurde von Prof. Dr. Margareta Halek geleitet und hat das Ziel, spezifische Alltagssituationen zu identifizieren, in denen Video-Feedback als Unterstützung dienen kann.
In der fünfzehnmonatigen Projektdauer haben Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen aktiv als Co-Forschende mitgewirkt. Diese Rückmeldungen waren entscheidend, um effektive Lösungen für herausfordernde Alltagsdynamiken, wie beispielsweise beim Essen oder in Arztgesprächen, zu entwickeln. Die Ergebnisse des Projekts zeigen, dass Video-Feedback nicht nur zur Reflexion genutzt wird, sondern auch dazu beiträgt, unerfüllte Bedürfnisse sichtbar zu machen. Dies ist besonders wichtig, da solche unerfüllten Bedürfnisse oft negative Auswirkungen auf die Lebensqualität der Betroffenen und deren Angehörige haben.
Der Wert von Video-Feedback
Das Konzept des Video-Feedbacks hat sich als eine besonders wirkungsvolle Methode herausgestellt, um personenzentrierte und beziehungsorientierte Pflege zu fördern. Laut gesundheitsforschung-bmbf.de können durch die Reflektion von pflegerelevanten Alltagssituationen sowohl verhaltensbezogene als auch psychologische Symptome der Demenz verringert werden. Die dissoziative Natur dieser Symptome birgt oft die Gefahr, dass Betroffene im schlimmsten Fall in stationäre Einrichtungen überführt werden müssen.
In den Fokusgruppen, die im Rahmen von ParDeVI organisiert wurden, diskutierten die Teilnehmenden die Kernziele der Intervention. Diese partizipative Forschung war Teil einer umfassenderen Strategie der Bundesregierung, die bereits 2020 mit der Nationalen Demenzstrategie beschlossen wurde. Der Ansatz sieht vor, Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen aktiv in die Forschungsarbeit einzubinden, um ihre Perspektiven und Bedürfnisse besser zu verstehen. Dies geschieht nicht nur durch die Möglichkeit der Reflexion, sondern auch durch die enge Kooperation mit Selbsthilfe- und Patientenorganisationen, die in die Entwicklung des Studiendesigns einfließen.
Ausblick auf neue Studien und Präsentationen
Die Ergebnisse von ParDeVI werden gemeinsam von Forschenden und Co-Forschenden in wissenschaftlichen Fachzeitschriften und praxisrelevanten Journalen veröffentlicht. Die offizielle Vorstellung des Projekts erfolgt im Rahmen der „35th Alzheimer Europe Conference“ im Oktober 2025 in Bologna. Zudem sind weitere Schritte geplant: Eine nächste Projektphase wird vorbereitet, um einen Förderantrag für eine größere Wirksamkeitsstudie zu stellen. Hierbei wird auch berücksichtigt, dass psychosoziale Interventionen als erste Wahl zur Verbesserung der Lebensqualität von Menschen mit Demenz gelten und die Belastung der Angehörigen verringern können.
Der partizipative Ansatz von ParDeVI könnte zudem als Modell für zukünftige Bestrebungen in der Demenzforschung dienen. Indem Betroffene und Angehörige direkt in die Gestaltung der Forschungsprozesse eingebunden werden, kann eine entsprechende Strategie entwickelt werden, die sowohl auf die Bedürfnisse von Menschen mit Demenz als auch auf die ihrer Pflegenden eingeht. Diese Maßnahme könnte langfristig die Lebensqualität der Betroffenen erheblich steigern und neue Perspektiven für die Pflege und den Umgang mit Demenz bieten.