
Die Diskussion um Steuermoral und Transparenz ist in den letzten Jahren zunehmend ins Zentrum gesellschaftlicher und politischer Debatten gerückt. Der Ökonom Johannes Lorenz untersucht, ob maximale Transparenz in Bezug auf persönliche Einkommensdaten die Steuerehrlichkeit der Bürger fördern könnte. In seiner aktuellen Studie, die auf den Ergebnissen früherer Forschungen basiert, stellt er fest, dass mehr Transparenz nicht unbedingt zu höheren Steuereinnahmen führt. Dies ist insbesondere im Kontext der deutschen Steuerkultur von Bedeutung, wo die Vorstellung, Steuerdaten öffentlich zu machen, als ungewöhnlich empfunden wird.
Angesichts der schweren Steuerhinterziehung in Deutschland, die laut Schätzungen der University of London im Jahr 2019 über 125 Milliarden Euro jährlich betrug, stellt sich die Frage, ob eine breitere Veröffentlichung von Einkommen und Steuerdaten tatsächlich einen positiven Einfluss auf die Steuerehrlichkeit haben könnte. Lorenz, der als Research Fellow im Sonderforschungsbereich „Accounting for Transparency“ der Universität Paderborn tätig ist, analysiert in seiner Studie verschiedene Szenarien zur Steuertransparenz.
Untersuchungsansätze und Ergebnisse
Für seine Analyse hat Lorenz ein „Small World“-Netzwerkmodell entwickelt. In diesem Modell wird ein fiktives Stadtviertel mit 1.000 Einwohnern über einen Zeitraum von 40 Jahren simuliert. In dieser Simulation können die Einwohner ihre Nachbarn hinsichtlich Einkommen abschätzen, beispielsweise anhand der Größe ihrer Häuser oder der Auswahl ihrer Automobile. Das Modell setzt ebenfalls eine Prüfwahrscheinlichkeit von 5 % pro Jahr durch die Finanzbehörden voraus.
Lorenz testete dabei drei verschiedene Szenarien: Im ersten Szenario, in dem keine Steuerdaten veröffentlicht werden, ist Steuerbetrug häufig, da die Menschen nicht wissen, wie sich das Verhalten ihrer Nachbarn verhält. Im zweiten Szenario, in dem das zu versteuernde Einkommen veröffentlicht wird, entsteht ein sozialer Druck. Bürger, die erfahren, dass ihre Nachbarn weniger Steuern zahlen, neigen dazu, ehrlicher zu agieren. Schließlich zeigt das dritte Szenario mit maximaler Transparenz, dass die Mehrheit der Steuerpflichtigen ihre Steuern legal optimiert, da die Angst vor Entdeckung und Bestrafung einer Steuerhinterziehung viele davon abhält, betrügerisch zu handeln.
Die zentrale Erkenntnis dieser Studie ist, dass teilweise Transparenz die höchsten Steuereinnahmen generiert. Während Maximale Transparenz zu einer Legalisierung von Steuervermeidungsstrategien führt, ist eine moderate Offenlegung effektiver, um Steuerausfälle zu minimieren. Lorenz hat angekündigt, das Modell in zukünftigen Studien weiter zu verfeinern.
Regulatorische Rahmenbedingungen zur Steuervermeidung
Das StUmgBG, das Ziel einer höheren Transparenz verfolgt, erweitert die Mitwirkungspflichten von Steuerpflichtigen und führt zu neuen Ermittlungsbefugnissen für Finanzbehörden. Zudem fördert die Richtlinie (EU) 2011/16 den automatischen Austausch von Informationen bei grenzüberschreitenden Besteuerungen. Weitere Maßnahmen, wie das Steueroasen-Abwehrgesetz und das Mindestbesteuerungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz, zeigen den politischen Willen, gegen Steuervermeidung und -umgehung aktiv vorzugehen.
Die Herausforderungen und Chancen, die sich aus der Kombination von Forschung und Regulierung ergeben, zeigen, dass ein multifaktorieller Ansatz notwendig ist, um Steuerhinterziehung effektiv zu bekämpfen. Ab sofort wird die Diskussion um Steuertransparenz, unterlegt durch empirische Forschungen und rechtliche Rahmenbedingungen, weiter an Bedeutung gewinnen.