
Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine jährt sich am 24. Februar 2023 zum dritten Mal. Die grassierenden Verluste unter der ukrainischen Bevölkerung sind alarmierend: Schätzungen zufolge sind bis zu 70.000 ukrainische Soldaten und 12.000 Zivilisten gestorben, während etwa 400.000 Menschen verletzt wurden. Professorin Dr. Ricarda Vulpius, Osteuropa-Historikerin an der Universität Münster, schildert die „schlechte Stimmung“ in der Ukraine. Die Bevölkerung sehnt sich nach einem gerechten und sicheren Frieden, sieht sich jedoch mit schwierigen Wahlmöglichkeiten konfrontiert, da in den Friedensverhandlungen Gebietsabtretungen diskutiert werden, die Vulpius als historisch nicht gerechtfertigt einstuft.
Im Jahr 1991 stimmten über 90% der Bevölkerung im Donbass für die Unabhängigkeit der Ukraine, und auch in der Krim sprach sich mehr als die Hälfte der Bewohner dafür aus. In diesem Zusammenhang hat die EU sich von der Praxis des Territorienfeilsches verabschiedet, was die Forderungen von Präsident Selenskyj nach notwendigen Sicherheitsgarantien umso dringlicher erscheinen lässt, um einen robusten Frieden zu gewährleisten. Die USA unterstützen seit 2008 eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine, doch eine Aufnahme unter den aktuellen Bedingungen ist unwahrscheinlich.
Historische Verantwortung Deutschlands
Die Diskussion über die historische Verantwortung Deutschlands gegenüber der Ukraine hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Am 19. Mai 2017 wurde im Deutschen Bundestag ein Antrag zur historischen Verantwortung Deutschlands eingebracht, initiiert von Marieluise Beck der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Der Antrag wurde zwar nicht angenommen, jedoch an den Auswärtigen Ausschuss zur weiteren Bearbeitung weitergeleitet. Ziel war es, die historische Verantwortung zu stärken, die aktive Unterstützung der Ukraine zu fördern und Erinnerungsdialoge anzuregen.
Beck unterstrich in ihrer Rede, dass die Ukraine sowie andere Länder wie Belarus oder Litauen in Deutschland oft nicht als „Bloodlands“ wahrgenommen werden, obwohl sie im 20. Jahrhundert eine leidvolle Geschichte durchlebten, worunter auch der Holodomor und die Verheerungen des Zweiten Weltkriegs fallen. In einer Mehrheit der Redebeiträge wurde die historische Verantwortung Deutschlands anerkannt. Dr. Fritz Felgentreu von der SPD äußerte, dass die Ukraine in Deutschland als europäisches Land mit eigener Identität häufig schwer wahrgenommen wird.
Herausforderungen und Propaganda
Vielfach wird die Notwendigkeit betont, das Wissen über die Ukraine in Deutschland zu stärken. Dr. Hans Peter-Uhl (CDU/CSU) und Dr. Ute Finckh-Krämer (SPD) forderten, der Relativierung der historischen Verantwortung entgegenzutreten. Kritische Stimmen aus der Fraktion Die Linke plädierten für eine Politik des Friedens und Ausgleichs gegenüber Russland und der Ukraine.
Der Diskurs über die Ukraine ist jedoch durch die russische Propaganda erheblich beeinflusst, die oft die Ukraine als Nazikollaborateur darstellt. Dies führt zu einer Krise der Begriffe. Schwierigkeiten bei der Einordnung des Konflikts zeigen sich durch verschiedene Bezeichnungen wie “Konflikt”, “Bürgerkrieg” oder “hybrider Krieg”. Um der Verzerrung der Wahrnehmung entgegenzuwirken, ist eine Förderung bilateraler Plattformen in der Zivilgesellschaft, Kultur, Geschichte und Wissenschaft von zentraler Bedeutung.
Die Erkenntnis über die einflussreiche russische Propaganda und deren Auswirkungen auf den Informationsraum in Europa ist essenziell für künftige politische und gesellschaftliche Entscheidungen. Die Ukraine bedarf maximaler Unterstützung, um zukünftige Aggressionen zu verhindern, wie Vulpius feststellt, um die Lehren der Vergangenheit nicht in Vergessenheit geraten zu lassen und um die Verantwortung für die Geschehnisse nicht zu negieren.