
In den letzten Wochen haben die Angriffe auf die Wissenschaftsfreiheit in Deutschland an Intensität zugenommen. Die aktuelle Debatte wird maßgeblich durch die Ankündigungen von Alice Weidel, Kanzlerkandidatin der Alternative für Deutschland (AfD), geprägt. Diese kündigte auf dem Parteitag am 18. Januar 2025 an, Gender Studies einzustellen und die entsprechenden Professoren zu entlassen. Diese Aussagen werden in der akademischen Gemeinschaft als verfassungswidrig und antidemokratisch beurteilt. Daraufhin hat das Präsidium der Europa-Universität Flensburg am 17. Februar 2025 die Stellungnahme der Fachgesellschaft Geschlechterstudien unterstützt und damit ein Zeichen gegen die drohende Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit gesetzt. Laut uni-flensburg.de sind solche Eingriffe in akademische Strukturen nicht nur schädlich für die wissenschaftlichen Institutionen, sondern gefährden auch die demokratische Ordnung.
Die Wissenschaftsfreiheit ist durch Artikel 5, Absatz 3 des Grundgesetzes in Deutschland geschützt und gilt international als anerkanntes Menschenrecht. Diese Freiheit ist ein fundamentaler Bestandteil demokratischer Staaten und geht Hand in Hand mit der Freiheit der Gesellschaft. Eingriffe, wie sie von der AfD propagiert werden, könnten nicht nur Gender Studies betreffen, sondern sich auch auf andere wissenschaftliche Disziplinen ausweiten. Dies ist ein besorgniserregendes Zeichen, das die Unabhängigkeit der Wissenschaft in ihrer Gesamtheit infrage stellt, so die Warnung von s4f-saarland.org.
Ein Aufruf zur Verteidigung der Wissenschaftsfreiheit
Scientists for Future (S4F) appelliert an alle demokratischen Parteien, sich für die Wissenschaftsfreiheit starkzumachen und die Angriffe auf wissenschaftliche Bereiche entschieden zurückzuweisen. Der Wissenschaftsrat hebt hervor, dass die Analyse gesellschaftlicher Phänomene durch Wissenschaft grundlegend für politische Debatten ist. Die Angriffe auf wissenschaftliche Disziplinen, die sich mit gesellschaftlichen und ökologischen Herausforderungen befassen, gefährden die Akzeptanz fundamentaler Erkenntnisse und könnten langfristig den wissenschaftlichen Fortschritt gefährden.
Wissenschaft erfüllt eine wesentliche Funktion in der Demokratie und steht nicht im Widerspruch zu emanzipatorischen Zielen. Konstruktive Kritik und offene Diskussionen sind entscheidend für kontinuierlichen Fortschritt. S4F-Saarland, eine überinstitutionelle und interdisziplinäre Gruppe von Wissenschaftler*innen, fordert eine Verteidigung der wissenschaftlichen Freiheit als unverzichtbaren Bestandteil des demokratischen Systems. Die Organisation ist seit 2019 aktiv und vertritt die Stimme der Wissenschaft in der politischen Diskussion.
Wissenschaftsfreiheit im europäischen Kontext
Die Diskussion um die Wissenschaftsfreiheit erhält zusätzlichen Kontext durch den bevorstehenden „Freedom of Research Summit“, der am 5. und 6. November 2025 stattfindet. Dieser Gipfel, organisiert von der Karlspreisstiftung und der RWTH Aachen, zielt darauf ab, die Rolle der Wissenschaftsfreiheit in Europa zu reflektieren. Themen wie Wissenschaftsdiplomatie, populistische Herausforderungen und der Klimawandel stehen dabei im Vordergrund. Der Aufruf zur Einreichung von Beiträgen erfolgte am 11. Februar 2025, mit einer Frist bis zum 31. März 2025. rwth-aachen.de kündigte an, dass Reisekosten für Referierende übernommen werden, um eine breite Beteiligung zu fördern.
Der Gipfel wird zentrale Fragen erforschen, darunter die Bedeutung der Wissenschaftsfreiheit in Zeiten der gesellschaftlichen Spaltung und wie die wissenschaftliche Gemeinschaft Brücken in solch herausfordernden Zeiten bauen kann. Angesichts der aktuellen Bedrohungen ist es umso wichtiger, ein starkes Zeichen für die Unabhängigkeit und den Wert der Wissenschaft zu setzen.